Wien – Gertraud Burtscher, Initiatorin der "Oma-Revolte", hat am Montag nach zehn Jahren ihren Job in einer Vorarlberger Steuerberatungskanzlei verloren. Das erzählte Burtscher im Gespräch mit dem STANDARD. Die Kündigung wurde von der Kanzlei auf Anfrage bestätigt.

Video-Interview mit DER STANDARD vom 2. September.
DER STANDARD

Kündigungsgrund

Laut Burtscher soll der Kündigungsgrund ein STANDARD-Videointerview sein, das sie am Rande der von ihr organisierten Demonstration gab. Darin sagte Burtscher auf die Frage, ob es aus heutiger Sicht die Morde in den Gaskammern der Nazis gegeben hat: "Ich nehme schon an, wenn das überall steht. Ich weiß es nicht, ich bin kein Geschichtsforscher, und ich werde mir nie erlauben zu sagen, irgendetwas hat es nicht gegeben oder irgendetwas hat es gegeben. Es ist jetzt quasi offizielle Wahrheit, und es wird stimmen, nehme ich an. Hoffe ich."

Die Aussage "hoffe ich" soll der ehemalige Arbeitgeber so ausgelegt haben, dass Burtscher darauf hoffe, dass die Morde in den Gaskammern stattgefunden hätten. Tatsächlich habe sie aber gemeint, sie hoffe, dass die Information in den Geschichtsbüchern stimmt. Burtschers ehemaliger Arbeitgeber verwehrt sich gegen ihre Auslegungen zur Kündigung.

Sie fühle sich zwar zu Unrecht gekündigt, sei ihrem ehemaligen Arbeitgeber aber nicht gram. Im Gegenteil, sie sei dankbar dafür, dass er sie im Alter von 63 Jahren noch eingestellt hat. Dass sie gekündigt werden könnte, wenn ihre Vergangenheit bei der Nationaldemokratischen Partei (NDP) von Norbert Burger in den 1980er-Jahren publik wird, sei ihr von Anfang an klar gewesen. "Aber ich habe gehofft, dass ich den 1. September noch drüberbringe."

Steuerberater setzt Zeichen

In einer Stellungnahme an den STANDARD distanzierten sich die Geschäftsführer der Steuerberatungskanzlei von "jeglichem rechtsextremem Gedankengut und der Verharmlosung oder gar Verleugnung der Gräueltaten des NS-Regimes oder nachfolgender ähnlicher Gruppierungen". Mit der Kündigung wolle man auch ein Zeichen setzen, "dass weder die Geschäftsleitung noch die Mitarbeiter der Kanzlei einer Betätigung rechtsextremer Art oder dem direkten oder indirekten Bekenntnis zu rechtsextremem Gedankengut Raum oder Chance geben". Über Details der Kündigung äußerte sich die Geschäftsführung nicht.

Idee der "Oma-Revolte"

Burtscher hatte die "Oma-Revolte" angezettelt, in der sie kritisierte, dass viele Frauen, die aufgrund der Kinderbetreuung zu wenige Versicherungsjahre für die Pension erworben haben, armutsgefährdet seien. Eine alleinstehende Mindestpensionistin muss derzeit mit 889,84 Euro, die 14-mal jährlich ausbezahlt werden, auskommen. Kindererziehungszeiten sollten auch bei vor 1955 geborenen Frauen als volle Versicherungszeiten berechnet werden, so ihr zentrales Anliegen.

Gefahr Märtyrerin

"Durch meine Kündigung laufe ich Gefahr, zur Märtyrerin zu werden", sagt Burtscher. Sie habe sich geopfert für all die armen alten Frauen, die es sich nicht einmal leisten könnten, einzuheizen oder sich die Zähne richten zu lassen. Sie bekomme sehr viel Zuspruch per Mail und sehe es als ihre Pflicht an, die Forderungen der "Oma-Revolte" voranzutreiben. Sie habe die Parlamentsparteien sowie die KPÖ erneut via E-Mail ersucht, ihr "das aus der Hand zu nehmen".

Burtscher hat sieben Kinder großgezogen. Mit 60 begann sie ein Jus-Studium, schloss es ab und arbeitete als Bilanzbuchhalterin in einer Steuerberatungskanzlei. Nach ihrer Kündigung müsse sie nun ab Jänner wieder von der Mindestpension leben.

Grundsätzlich werden auch nach der Pensionierung bei einer Berufstätigkeit im Rahmen der "besonderen Höherversicherung" noch Versicherungszeiten erworben. (Katrin Burgstaller, 6.9.2017)