Am 11. September präsentierte ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger die zweite Plakatwelle von Sebastian Kurz. Einer der Slogans sei für Christian Kern angedacht gewesen, heißt es nun seitens der SPÖ.

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Wien – Es ist ein dichtes Netz an Vermutungen, Beschuldigungen und wenigen Fakten, das von Vertretern und Mitarbeitern eigentlich fast aller Parteien – allen voran aber von SPÖ und ÖVP – inzwischen geknüpft wurde. Für Außenstehende wird die Lage von Tag zu Tag unübersichtlicher. Feststeht: Der mittlerweile rausgeschmissene SPÖ-Berater Tal Silberstein hat zwei Facebook-Seiten betrieben, auf denen geschmacklose und diskriminierende Inhalte verbreitet wurden. Und: Teile der Kampagne, interne Analysen und vertrauliche Korrespondenzen der Sozialdemokraten kamen an die Öffentlichkeit.

Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern stellt nun eine weitere Mutmaßung in den Raum: Von seiner Partei getestete Slogans seien "plötzlich auf den Plakaten von politischen Konkurrenten zu sehen" gewesen, merkte er in einem Nebensatz im Interview mit Ö1 an.

Kern und Kurz "für uns alle"

Konkret soll es sich dabei um von Silberstein Mitte August in Fokusgruppen erprobte Slogans handeln – einige der vom Politberater als vielversprechend eingestuften Sprüche seien bald darauf von ÖVP-Chef Sebastian Kurz plakatiert worden, wird aus SPÖ-Kreisen dem STANDARD erzählt. So testen die Sozialdemokraten unter anderem ein Sujet mit Kern und dem Schriftzug "Sichere Pensionen: Für uns alle". Ergebnis: Die SPÖ solle in ihren Botschaften immer wieder auf den Einsatz "für uns alle" hinweisen, das gefalle den potenziellen Wählern.

Außerdem wurde die Wirkung eines Plakats mit dem Spruch "Österreich zurück an die Spitze bringen" einer Fokusgruppe vorgelegt. Rotes Fazit damals: ein Slogan, der ankommt und verwendet werden sollte. Am 11. September präsentierte Kurz ein neues Sujet, auf dem der Parteichef in einer Menschenmenge zu sehen ist. Darüber der Schriftzug: "Österreich zurück an die Spitze: Für uns alle."

Mehrere Verdächtige ausgemacht

Ein weiteres Indiz für die SPÖ, dass Daten aus eigenen Umfragen und Analysen an die ÖVP weitergegeben wurden, sei das Thema "Frauenpensionsalter". Silberstein habe Anfang August in Fokusgruppen getestet, wie die Österreicher zu einer Anhebung stehen. Bilanz: Das komme überhaupt nicht an. Mitte August verabschiedete sich Kurz dann von der langjährigen ÖVP-Forderung und sprach sich gegen eine Anhebung des Frauenpensionsalters aus. "Wir wissen schon, dass das keine Beweise sind, aber die seltsamen Zufälle häufen sich", sagt ein roter Wahlkampfmitarbeiter.

Wie so viele Informationen an Gegner und Medien gelangen konnten, da haben die Roten gleich mehrere Verdächtige ausgemacht: Silbersteins Dolmetscherin soll über Umfragen, Analysen und sämtliche Korrespondenzen zwischen Partei und Berater verfügt und schließlich verkauft haben. Ihr Chef wurde am 14. August in Israel festgenommen und daraufhin von der SPÖ entlassen. Am 16. August habe die besagte Übersetzerin einem SPÖ-Mitarbeiter bei einem Spaziergang einen USB-Stick mit Daten gezeigt und einen Job oder Geld gefordert, da sie den Speicherstick sonst weitergebe, heißt es.

Dolmetscherin "habe Angst"

Der Politberater Rudi Fußi, der in den vergangenen Monaten für Kern als Redenschreiber tätig war, hatte noch versucht, die junge Frau davon abzuhalten, und ihr Schweigegeld geboten: "Egal, was dir die VP dafür gegeben hat. Ich gebe dir das Doppelte", schrieb er ihr per Whatsapp. Sie habe Angst und von niemandem Geld angeboten bekommen, zitiert die Kronen Zeitung nun die Dolmetscherin.

Eine andere Mitarbeiterin Silbersteins, die als Teil der Truppe um PR-Berater Peter Puller die Anti-Kurz-Facebook-Seite betrieben hat, soll nach roter Erzählart ausgeplaudert haben, dass die Facebook-Seiten auf Silberstein zurückgehen. Hier habe die ÖVP einen Kommunikationsberater als Mittelsmann eingesetzt, der die Informationen dann an die Medien weitergab. Beweisen kann die SPÖ auch das freilich nicht. (Katharina Mittelstaedt, 9.10.2017)