Kanzler Sebastian Kurz (rechts) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache traten erstmals gemeinsam beim Ministerrat auf.

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In Zukunft wird vor allem Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal die Presse informieren.

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Wien – Anstatt des alten Prozederes ist auch rund um den Ministerrat neuer Stil angesagt: Keine 24 Stunden nach ihrer Angelobung trafen im Kanzleramt die Regierungsmitglieder von ÖVP und FPÖ zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammen. Doch im Gegensatz zu früher darf der dort wartende Medientross nicht mehr die jeweiligen Minister umringen, mit ihnen auf Tuchfühlung gehen, ihnen drängende Fragen aufzwängen. Ab sofort bringen Türkis und Blau Ordnung in das seit Jahrzehnten jeden Dienstagvormittag wiederkehrende Gewurl.

STANDARD-Innenpolitik-Ressortleiter Michael Völker über den ersten Ministerrat der neuen Regierung.

Konkret heißt das: Gegen neun Uhr müssen im Steinsaal, quasi dem Vorraum zum Ministerrat, unter dem überlebensgroßen Gemälde von Kaiserin Maria Theresia Journalisten, Kameraleute, Fotografen hinter einer eng gehaltenen Absperrung Aufstellung nehmen. Davor stehen zwei dünne Mikrofone.

Blauer Durchmarsch ohne Worte

Fast punktgenau auf die Minute marschiert geschäftig die blaue Regierungsriege ein – allerdings ziehen Strache, Kickl und Co schweigend und in gebührlichem Abstand zum Absperrband vorüber. Verzweifelte Zurufe, aber auch neckische Anfragen verhallen ohne Gehör. Im so gebändigten Mediensektor, der eigentlich O-Töne, Fotos, Kameraschwenks sammeln soll, kursieren erste Witze: "Wie in Schönbrunn!", heißt es etwa in Anspielung auf den weltweit ältesten Tiergarten in der Bundeshauptstadt.

Der erste Ministerrat der neuen Regierung.
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Kurz darauf bietet die ÖVP-Regierungshälfte drei knappe Statements auf. Als Erster tritt Justizminister Josef Moser, einst Rechnungshofpräsident, an ein Mikro, um einmal mehr kundzutun, dass er eine Staatsreform anstrebe – und sich nun "sofort" an "eine Rechtsbereinigung" mache.

Türkise Regie mit knappen Sätzen

Finanzminister Hartwig Löger kündigt, wie zuvor schon ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im STANDARD-Interview, eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen bis 1.948 Euro brutto im Monat an, womit 620.000 Österreicher entlastet werden – und zwar um rund 300 Euro im Jahr. Was Löger nicht dazusagt: Wer weniger als 1.342 Euro verdient, zahlt schon jetzt keine Versicherungsbeiträge – für diese Niedrigverdiener ändert sich also nichts. Doch Ersuchen um Präzisierungen oder Einwände sind nicht zugelassen.

Der Auftritt von Karoline Edtstadler, ÖVP-Staatssekretärin im von Herbert Kickl (FPÖ) geführten Innenministerium, gerät noch einstudierter: Sie betet einen anstehenden Beschluss für eine Gedenkstätte im weißrussischen Maly Trostinez herunter, wo 1941/42 mehr als zehntausend deportierte österreichische Juden ermordet wurden – dies sei als "Signal" im Vorfeld des Gedenkjahrs 2018 zu verstehen.

Ein Porträt des neuen Regierungssprechers Peter Launsky-Tieffenthal: Er war sowohl im Außenministerium als auch in der Uno tätig und ist gelernter Diplomat.
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Dann schließen sich die Türen, denn der Ministerrat berät.

Nach eineinhalb Stunden treten Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache mit dem neuen Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal ("eine große Ehre und Verantwortung") vor einen Fahnenwald bestehend aus EU- und Bundesländerflaggen. Ihre Hauptbotschaft: Bei einer Regierungsklausur am 4. und 5. Jänner soll unter anderem die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen ausgearbeitet werden, damit das Vorhaben zur Jahresmitte in Kraft treten kann. Großes Ziel bleibe aber die Senkung der Steuer- und Abgabenquote, betont Kurz. "Es ist uns ernst", sagt Strache. Dazu erklärt der Vizekanzler, dass das Denkmal bei Minsk von Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus angeregt wurde, nun Klubchef der FPÖ.

Endlich sind Fragen erlaubt. Warum Gudenus nun Asylwerber "am Stadtrand" von Wien unterbringen wolle? Strache: Er habe von ihm dazu noch keine Begründung gehört, "wie er sich das vorstellt in der Realität". Auch internationale Irritationen wie Israels FPÖ-Ministerboykott oder Italiens Bedenken gegen Doppelstaatsbürgerschaften für Südtiroler wischt das neue Koalitionsduo gekonnt vom Tisch. Ob man denn mit der Bestellung eines Regierungssprechers gar Message-Control betreiben wolle? Darauf Kurz schlagfertig: "Dieses Weihnachtsgeschenk machen wir Ihnen nicht, dass das der letzte gemeinsame Auftritt ist." Der Kanzler verspricht: "Wir werden regelmäßig informieren."

Als Regierungskoordinatoren sollen demnächst übrigens Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) und Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) fungieren. (Nina Weißensteiner, 19.12.2017)