Reinhold Lopatka (ÖVP) will in der Taskforce zum Bürokratieabbau nicht so untätig gewesen sein, wie Jean-Claude Juncker das im STANDARD-Interview dargestellt hat.

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Wien – ÖVP-Europasprecher Reinhold Lopatka hat die Kritik von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an der angeblichen Untätigkeit Österreichs in Sachen Bürokratieabbau in Brüssel zurückgewiesen. "Das ist seine Sicht der Dinge, meine ist eine andere", sagte Lopatka am Freitag. "Österreich hat in der Taskforce mit Abstand die meisten Vorschläge eingebracht."

Juncker habe bei einem Besuch in Wien sogar "lobend hervorgehoben, dass ich hier am aktivsten war", so Lopatka. Er verweist darauf, dass sich im Endbericht der Taskforce 18 konkrete Vorschläge zu problematischen EU-Regelungen von ihm fänden, die er unter anderem auf Vorschlag von Organisationen wie Wirtschafts- und Arbeitskammer oder Städtebund eingebracht habe.

"Völlig daneben"

Juncker hatte im Interview mit dem STANDARD scharfe Kritik an den Aussagen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum "Regelungswahnsinn" in Brüssel geübt und gemeint: "Ich finde, dass diese Anwürfe gegen die Europäische Union völlig daneben sind." Juncker verwies darauf, dass sich die Zahl der Regelungsvorschläge während seiner Amtszeit um 75 Prozent reduziert habe, und auch auf die von ihm eingesetzte Taskforce zum Bürokratieabbau.

"Ich habe bereits vor dem Amtsantritt von Sebastian Kurz eine Gruppe eingesetzt in Sachen Subsidiarität. Da war dann auch ein Österreicher dabei, Herr Lopatka", sagte Juncker. "Diese Taskforce, der er angehörte, hat keinen einzigen Vorschlag gemacht, was man auf die nationale Ebene zurückverlagern könnte, in 18 Monaten nicht. Insofern bin ich da absolut überrascht, dass man jetzt sagt, 1.000 EU-Gesetze müssten zurückgezogen werden."

Lopatka ist "kein Universalgenie"

Lopatka nennt das "nur die halbe Wahrheit". Die Taskforce habe viele Vorschläge Österreichs nicht aufgegriffen, das etwa eine Rückübertragung von Kompetenzen gefordert habe. Immerhin hätten sich in dem Bericht aber Vorschläge befunden, wie die Bürokratie grundsätzlich zurückgedrängt und die Subsidiarität gestärkt werden kann.

Lopatka macht auch klar, dass ihm die inhaltliche Expertise bezüglich der von ihm in der Taskforce problematisierten EU-Regelungen fehlt. Sie reichen vom Binnenmarkt über Umwelt, Verbraucherschutz und Soziales bis zu Steuern. "Ich bin kein Universalgenie", sagt Lopatka und verweist auf die Organisationen, von denen die Regelungen namhaft gemacht wurden.

Kurz hat laut Lopatka "hundertprozentig recht"

Auf Lopatkas Liste findet sich auch die Acrylamid-Verordnung ("Pommes-Verordnung"), die die Bürger vor erhöhten Werten des krebserregenden Stoffs Acrylamid in Lebensmitteln, etwa Tiefkühlprodukten und Backwaren, schützen soll. Konfrontiert mit der Aussage von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) anlässlich des Inkrafttretens der Verordnung im Vorjahr, wonach kein weiterer Handlungsbedarf bestehe und hauptsächlich die Lebensmittelindustrie betroffen sei, aber nur am Rande die Gastronomie, sagte Lopatka: "Ich bin kein Gesundheitsexperte. Ich habe mich mit dem Thema null beschäftigt." Allerdings stelle er sich die Frage, ob diese Verordnung "bei unseren nationalstaatlichen Regelungen (...) der große Fortschritt ist".

Als Beispiel für eine "überschießende" EU-Regelung nennt Lopatka auch den Konsumentenschutz, wo sich etwa ein nach einem Wasserrohrbuch gerufener Installateur mit einem 20-seitigen Dokument gegen Rücktrittsrechte absichern müsse, damit er nicht nach getaner Arbeit ohne Geld dastehe. Kurz habe mit seinem Vorschlag für eine EU-Reform "hundertprozentig recht", betont Lopatka.

Mehr Verordnungen, weniger Richtlinien

Der ÖVP-Abgeordnete zieht auch die von Juncker genannten Zahlen zum Bürokratieabbau in Zweifel und weist darauf hin, dass sich die Zahl der EU-Verordnungen innerhalb weniger Jahre "verdoppelt" habe. Die Zahl der Richtlinien (bei denen die EU-Staaten mehr Umsetzungsspielraum haben) habe sich hingegen "halbiert".

Zudem versuche Brüssel, "schleichend" neue Kompetenzen zu bekommen. Lopatka nennt etwa eine Durchführungsverordnung zu Berichtspflichten des Arbeitsmarktservice. Zum Einwand, dass EU-Gesetze von Mitgliedsstaaten und Europaparlament beschlossen werden müssen, verweist Lopatka auf das Initiativrecht der EU-Kommission. Nur sie könne EU-Gesetze vorschlagen – "ohne Initiative keine Beschlussfassung". (APA, 17.5.2019)