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Manfred Weber ist als Kommissionschef wohl aus dem Rennen.

Foto: AP Photo/Francisco Seco

Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, ist grundsätzlich bereit, auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zugunsten des SPE-Kandidaten Frans Timmermans zu verzichten, sollte dies nötig sein, um beim EU-Gipfel am Abend einen guten Kompromiss beim EU-Personalpaket zu erzielen. Dies wurde dem STANDARD aus hohen EVP-Kreisen bestätigt.

Der Deutsche könnte in diesem Fall für die gesamte Legislaturperiode von fünf Jahren Präsident des Europäischen Parlaments werden und im Zusammenspiel mit dem Niederländer Timmermans die Geschicke der Union lenken. Für Weber sei es sehr wichtig, dass die weitere Demokratisierung der Union, wie sie sich im Modell der Spitzenkandidaten ausdrücke, fortgesetzt werde. Und es werde sehr stark darauf ankommen, dass die beiden großen Volksparteien EVP und SPE sich für die gesamte Gesetzgebungsperiode auf ein "gutes und tragfähiges Arbeitsprogramm" einigen können. Im Interview mit dem STANDARD hatte Weber unmittelbar vor den EU-Wahlen betont, dass die Aufwertung des Europäischen Parlaments und ein Initiativrecht für die Abgeordneten, neben der Schaffung eines Wahlrechts, Teil des Programms sein müssten.

Keine Mehrheit für EVP und S&D

Wie berichtet haben EVP und S&D-Fraktion in Straßburg allein keine Mehrheit mehr, brauchen dazu mindestens die grüne oder die liberale Fraktion. Die Nominierung des nächsten Kommissionspräsidenten, aber auch des künftigen Präsidenten von Europäischem Rat, Parlament und des Hohen Beauftragten für die Außenpolitik, werde daher bei den Regierungschefs "noch komplizierter als 2014", heißt es. Weber habe sich immer für einen konstruktiven Weg ausgesprochen. Sollte er im Rat keine Mehrheit bekommen und nicht als Juncker-Nachfolger nominiert werden können, werde er einer anderen Lösung nicht entgegenstehen.

Allerdings sei es keineswegs sicher, ob Timmermans eine Mehrheit bekommen kann. Zwar sprach sich Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron für ihn aus, doch die Visegrád-Staaten lehnen ihn bisher strikt ab. Sollte auch der Niederländer beim EU-Gipfel scheitern, werde die EVP vermutlich darauf drängen, dass ein anderer Christdemokrat als nächster Kommissionschef nominiert wird, "was dann vermutlich wieder etwas länger dauern könnte". Ein Scheitern des Gipfels wäre dann wahrscheinlich. Die aus Dänemark stammende Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager dürfte bei einem Scheitern des Modells der Spitzenkandidaten dann auch aus dem Rennen sein.

Wie hart verhandelt wird, zeigt sich auch daran, dass sich der Beginn des Gipfeltreffens in Brüssel am Sonntagabend stundenlang verzögert hat. Vor Gipfelbeginn machte in Brüssel das Gerücht die Runde, dass in zwei Wochen der nächste Gipfel einberufen werden könnten, sollten die Verhandlungen am Sonntagabend erneut scheitern.

Tusk für Sozialdemokrat

Ratspräsident Donald Tusk wird offenbar beim Sondergipfel am Abend einen Sozialdemokraten als Kommissionspräsidenten vorschlagen.

Für eine Entscheidung im EU-Rat ist eine doppelte Mehrheit aus 55 Prozent der Länder und 65 Prozent der Bevölkerungen nötig. Ein Kommissionspräsident kann damit auch gegen die Stimmen der EU-Regierungen nominiert werden, obwohl man dies nach Angaben von EU-Diplomaten vermeiden möchte. (Thomas Mayer aus Brüssel, 30.6.2019)