Über ein nicht rechtskräftiges Urteil zu spekulieren ist schwer – hängt der Verfahrensausgang doch noch in der Luft. Eines jedoch lässt sich nach der Prozesswiederholung gegen den steirischen Arzt und Politikerbruder Eduard Lopatka wegen Quälens seiner Kinder ohne Vorgriffe sagen: Auch der zweite mit der Causa beschäftigte Grazer Richter, Oliver Graf, hat das Strafrecht höchst zurückhaltend angewandt.

Etwa in Hinblick darauf, was er als "seelische Qual" gelten ließ und was nicht. Zwar stellte er Eduard Lopatka zum Beispiel die Suizidandrohungen in Rechnung, die dieser in Anwesenheit seiner inzwischen erwachsenen Kinder über Jahre wiederholt geäußert haben soll. Andere von Sohn und Töchtern geschilderte Vorkommnisse, etwa Selbstverletzungen mit den Kindern als Zeugen, sah Graf hingegen nicht als strafbar an – obwohl auch diese höchst verstörend erscheinen.

Im Grazer Landesgericht fand der Prozess gegen Eduard Lopatka wegen Quälens seiner Kinder statt.
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Er sei "keine moralische Instanz", soll der Richter diese Beurteilungsdiskrepanzen kommentiert haben. Auch wenn er rein juristisch richtig liegen sollte: Damit verrät er ein höchst eingeschränktes Verständnis der Art und Weise, wie jahrelanger Psychoterror funktioniert – und welche Schäden er anrichtet. Den Opfern emotionaler Gewaltverhältnisse – meist Frauen und Kinder – werden derlei Einschätzungen nicht gerecht. Das ist ein Problem über den Anlassfall hinaus. (Irene Brickner, 12.7.2019)