Von Kufstein nach Wien pendelt Thimo Fiesel selbstverständlich mit der Bahn. In der Bundeshauptstadt ist er mit dem Fahrrad unterwegs.

Foto: Regine Hendrich

Es klingt paradox, aber der beste Wahlhelfer der Grünen ist gleichzeitig ihr Hauptfeind, den es zu bekämpfen gilt: der Klimawandel. Dass der Umweltschutz derzeit ein so vorherrschendes Thema ist, spielt der Partei natürlich in die Karten. Fast eineinhalb Jahre ist es her, dass die Ökos hochkant aus dem Nationalrat flogen. Der Ibiza-Skandal beschert der Partei im Herbst womöglich ein vorzeitiges Comeback. Einer, der mitverantwortlich dafür ist, dass das gelingt, ist Thimo Fiesel. Er ist der Wahlkampfmanager der Grünen.

Dass Fiesel sein Handwerk versteht, hat er schon bei der EU-Wahl Ende Mai bewiesen. Mit bescheidensten Mitteln räumten die Grünen mit Frontmann Werner Kogler 14,08 Prozent ab. Auch den EU-Wahlkampf hat er gemanaget. Weil das so gut gelaufen ist, macht nun das Team in mehr oder weniger gleicher Besetzung weiter.Wobei Fiesel einräumt, dass vieles auch durch das überraschende Koalitionsende ein bisschen aus der Not geboren wurde.

"Organisatorisch ist die Wahl am 29. September zu früh gekommen, politisch nicht", sagt der 36-Jährige. Ein Indikator für einen erfolgreichen Wahlkampf sei auch der Bekanntheitsgrad der Spitzenkandidatin oder des Spitzenkandidaten: "Wäre die Wahl regulär, also zwei Jahren später gekommen, hätte man natürlich auch über andere Personen diskutieren können. Aber in der aktuellen Situation war klar, dass Kogler der richtige Spitzenkandidat ist." Organisatorisch kann sich die klamme Bundespartei auf die Strukturen der Landesgruppen verlassen. Eigentlich gehört gesagt: Sie muss sich verlassen.

Grüner Pendler

Fiesel selbst ist, wenn man so will, eine Leihkraft. Der Bund zahlt sein Gehalt, angestellt ist er aber bei den Tiroler Grünen. Dort ist er Landesgeschäftsführer. Drei, vier Tage in der Woche arbeitet er nun in Wien, dann geht es heim zu Frau und Kindern (drei an der Zahl) und ins Homeoffice. Mit der Bahn – selbstverständlich.

Tirol war nicht immer Heimat. Der 36-Jährige ist gebürtiger Schwabe, kommt aus einer kleineren Gemeinde in der Nähe von Ravensburg. Die Eltern leben getrennt, mit 15 zieht er zum Vater, einem Bauunternehmer, der auf ökologische Bauweise setzt und grüner Stadtrat ist. "Mit 18 bin ich dann selbst für die grüne Liste angetreten. Mit meiner Schwester und meiner Cousine", erinnert sich Fiesel. Er schließt eine Lehre als Großhandelskaufmann im Stahlhandel beim Konzern Thyssenkrupp ab, merkt aber bald, dass es ihn in eine andere Richtung zieht. Nach dem Zivildienst in einem Münchner Krankenhaus holt Fiesel das Abitur nach.

Liebe zu den Bergen

Dass Tirol seine neue Heimat wurde, erklärt sich durch die Liebe zu den Bergen: "Ich wollte dort studieren, wo ich auch meine Sportleidenschaft ausleben kann." Es wird Kufstein. Dort studiert er an der Fachhochschule Kulturmanagement, lernt seine Frau kennen, arbeitet später beim Alpenverein im Bereich Bergsport-Jugendarbeit. Dann, es ist das Jahr 2016, wird bei den Grünen der Landesgeschäftsführer gesucht. Fiesel dockt an.

Nun, für den anlaufenden Wahlkampf, hat er gerade einmal 1,1 Millionen Euro zur Verfügung, Personalkosten eingerechnet. Wie fährt man da eine gute Kampagne? Fiesel weiß: Wer viel Geld ausgeben kann, kommt besser und damit auch sichtbarer mit seinen Botschaften unter. Die Grünen leisten sich zwei Plakatwellen, die restliche Werbung findet online statt. Gesetzt wird auch auf die vielen Parteigänger: "Wir haben das Glück, sehr breit aufgestellt zu sein. So sind wir in vielen Gemeinden aktiv und präsent." Dann sind da noch die TV-Konfrontationen. Hier richten sich auch die Augen des Wahlkampfmanagers auf Spitzenkandidat Kogler. Der muss das dort für die Grünen richten. Oder wie Fiesel sagt: "Stark am Punkt und fokussiert sein."

Nicht abgehoben sein

In den Umfragen liegt die Partei derzeit stabil weit über der Vier-Prozent-Hürde. In der jüngsten Market-Umfrage für den STANDARD bringen es die Grünen auf zehn Prozent – sie sind damit gleichauf mit den Neos. Und der Intensivwahlkampf hat noch gar nicht begonnen. Fragt man den Wahlkampfmanager, welche Fehler die Partei nach einer Wiederkehr in den Nationalrat nicht machen dürfe, kommt das einer Bestandsaufnahme der letzten Monate vor der – aus grüner Sicht – Katastrophenwahl 2017 gleich: nicht abgehoben sein, besserer Zusammenhalt und keine Entfremdung zwischen Landesgruppen, Bundespartei und Parlamentsklub.

Zufall oder nicht: Im Oktober endet Fiesels Vertrag als Tiroler Landesgeschäftsführer. Also Wiener Hausberge statt Tiroler Bergwelt? Diese Frage wird wohl erst nach der Wahl beantwortet. (Peter Mayr, 16.8.2019)