Seit mehr als 70 Jahren findet jährlich das Europäische Forum Alpbach statt. In den vergangenen 30 Jahren habe ich, mit einer krankheitsbedingten Ausnahme, daran teilgenommen. Warum? Mir geht es um meine persönliche allgemeine Weiterbildung, jenseits meiner eigenen Expertise. Und da konnte ich immer profitieren. Mir scheint nun, dass manche Charakteristika des Alpbacher Angebots mit geeigneten Modifikationen vom Schulsystem zu dessen Vorteil übernommen werden könnten.

Alpbach greift in der Regel aktuelle gesellschaftliche Fragen auf. Das sollte Schule auch, nicht nur, aber auch. So kann man zur Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Diskurs führen und einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leisten.

Wissen aus erster Hand

Quelle des Wissens ist heute weitgehend die Wissenschaft. In Alpbach referieren und diskutieren hochkarätige Wissenschafterinnen und Wissenschafter über Themen, über die sie selber forschen, es gibt keine vereinfachenden Vermittler, sondern direkte Begegnungen mit den Wissensquellen. Es gibt sie, die Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die ihre Ergebnisse allgemein verständlich darstellen können. Manchmal erschließt sich das Wesentliche durch eine Diskussion zwischen Gelehrten mit unterschiedlichen Standpunkten, insbesondere wenn gut moderiert wird. Solche Events könnten den Schulalltag öfter bereichern, als dies derzeit der Fall ist. Kooperationen mit Hochschulen sind dafür zweckmäßig, wobei sich aus ökonomischer Perspektive mehrere Schulen zusammentun können.

In Alpbach stellen sich hochrangige Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft der Diskussion. Das ist motivierend für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, und oft erschließen sich aus der Unterschiedlichkeit der Perspektiven von Wissenschaft und "Gesellschaftspraxis" neue Dimensionen des Themas. Man wird wohl nicht alle Schulen einzeln mit derartigen Events versorgen können, aber wenn sie sich zusammentun. Jede Bildungsdirektion sollte erreichbar sein. Gemeinsames Lernen von Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen, Schülern, Inspektorinnen und Inspektoren eröffnet Potenziale für das Erleben gesellschaftlicher Gemeinsamkeit. Verbindungen zur Debatte in den Medien könnten die Schule aus ihrer Abgeschiedenheit herausführen und Bildung stärker zu einer gesellschaftlichen Angelegenheit machen.

Alpbach in den Tiroler Bergen ist im Sommer Treffpunkt von Referenten und Teilnehmern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Eine Bildungszielvision

Man könnte nun sagen: Schicken wir alle Schülerinnen und Schüler einmal nach Alpbach. Abgesehen von finanziellen und organisatorischen Hindernissen wäre das nicht sinnvoll, denn: Alpbach ist ein Elitenprogramm. Es setzt hohes Bildungsengagement und eine gute Allgemeinbildung voraus, sonst hat man nichts davon. Die Schule hingegen muss für alle da sein, sie dort abholen, wo sie sind; und sie zur Alpbach-Tauglichkeit führen. Dabei können Alpbach-artige Events als Bildungszielvisionen hilfreich sein, zumindest motivierend. Außerdem: Man sollte die jungen Menschen nicht unterschätzen. (Roland Fischer, 30.8.2019)