Mit den jüngsten ORF-Duellen rückten auch die koalitionsinternen Vorgänge rund um das Auffliegen der Ibiza-Affäre wieder in den Fokus: Am Mittwochabend konfrontierte Sebastian Kurz FPÖ-Chef Norbert Hofer damit, dass er es gewesen sei, der ihn über das Video von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache informiert habe – und nicht etwa Strache selbst oder Ex-Innenminister Herbert Kickl. Hofer lächelte bei diesem Vorhalt nur gequält. Dass dem so war, hatte er bereits in einem STANDARD-Interview eingestanden.

Kurz und Hofer vor ihrem ORF-Duell am Mittwochabend, bei dem auch Details rund um das Publikwerden der Causa Ibiza zur Sprache kamen.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Fest steht, dass bis heute nur wenige stichhaltige Details durchgesickert sind, was sich am 18. Mai nach Straches Rücktritt am Minoritenplatz zu Mittag im Kanzleramt alles zutrug. In der FPÖ wird erzählt, dass Kurz gleich um 13 Uhr eine Pressekonferenz abhalten wollte, um dabei zu verkünden, dass er mit Hofer als Vizekanzler die türkis-blaue Regierung fortsetze – "das war mit Handschlag paktiert", heißt es.

Auftritt verschoben

Den vor dem Kanzleramt am Ballhausplatz wartenden Journalisten wurde damals jedoch beschieden, dass sich Kurz' angekündigter Auftritt hinauszögere – was sich dann bis in die Abendstunden hinziehen sollte.

Die blaue Erzählung besagt außerdem, dass Kurz nach dem Verschieben seiner Pressekonferenz plötzlich forderte, Kickl müsse als Innenminister abtreten. Angeblich wurde aber sogar noch darüber diskutiert, ob für den Erhalt der Koalition ein anderer Freiheitlicher sein Amt übernehmen könnte, ehe Kurz darauf bestanden habe, dass das Innenministerium wieder von der ÖVP übernommen werden solle.

Um 19 Uhr wurden die Medienleute vorgelassen – der Rest ist bekannt: Kurz kündigte das Bündnis mit den Freiheitlichen auf und rief Neuwahlen aus.

Doch auch türkise Koalitionsinsider bestätigen, dass Kurz trotz Oligarchinnenskandal ursprünglich mit Hofer statt Strache an seiner Seite weiterregieren wollte. Der ÖVP-Chef beriet sich am Samstagnachmittag aber noch mit den schwarzen Landeshauptleuten, und die hatten eine klare Botschaft an Wien: Kickl muss weg.

Zurufe aus den Ländern

Das gewichtigste Wort dabei hatte letztendlich die Niederösterreicherin Johanna Mikl-Leitner, früher selbst Innenministerin: Sie hatte darauf gedrängt, dass das Ressort wieder von der ÖVP geführt werden müsse. Unterstützt wurde sie dabei von Günther Platter. Der Tiroler Landeshauptmann war früher ebenfalls Innenminister. Auch der Salzburger Wilfried Haslauer und der Oberösterreicher Thomas Stelzer sollen genau diese Linie verfolgt haben – Letzterer auch, weil er gleich seinen Landespolizeidirektor Andreas Pilsl in Stellung bringen wollte.

Wenig später, als die Bildung von Kurz' Übergangsregierung anstand, wurde Pilsl auch prompt als neuer Innenminister gehandelt – doch die FPÖ und Liste Jetzt stemmten sich dagegen, und die SPÖ und die Neos äußerten sich zur Bestellung des ehemaligen Mitarbeiters im Kabinett von Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) äußerst reserviert.

Fazit: Die Übergangsregierung ohne Pilsl hielt dann ohnehin nur wenige Tage, denn nach dem Misstrauensvotum gegen Kurz im Parlament betraute Bundespräsident Alexander Van der Bellen Ex-Verfassungsgerichtshofpräsidentin Brigitte Bierlein mit der Bildung einer Expertenregierung. (Michael Völker, Nina Weißensteiner, 12.9.2019)