Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka verhandelt für die Volkspartei mit ...

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... der von der Liste Jetzt zu den Grünen gewechselten Abgeordneten Alma Zadić.

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Glaubt man den heimischen Boulevardmedien, ist die nächste Regierung schon so gut wie fix. Es gehe nun in den Endspurt, die Ministerposten seien schon verteilt, hieß es etwa in den Gratisblättern Österreich und Heute. Das wiesen die Verhandlungspartner am Mittwoch von sich. Von "Wochen" sei die Rede, ein Abschluss vor Weihnachten möglich, aber auch nicht zwingend. Aber einige "Brücken" seien schon gebaut, wie Grünen-Chef Werner Kogler am Montag betont hatte.

Als Brückenbauer unterwegs sind beispielsweise Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Alma Zadić (Grüne). Sie leiten die Verhandlungsgruppe "Staat, Gesellschaft und Transparenz". "Von Beginn an war die Stimmung gut und sehr konstruktiv mit einer Prise Humor", erzählt Zadić. Ein harter Kontrast zu ihrem letzten wichtigen Aufeinandertreffen vor einem halben Jahr: Da profilierte sich Zadić an der Seite von Peter Pilz im BVT-U-Ausschuss – und befragte just Sobotka, der bis 2017 das Innenministerium geleitet hatte.

Es ging etwa um die Frage, ob Sobotka das BVT für politische Zwecke missbraucht hatte. Ein Kabinettsmitarbeiter hatte Referenten im BVT gebeten, Punkte "für ein Wahlprogramm" auszuarbeiten; Sobotka bestritt, ihn damit beauftragt zu haben. Statt polemisch oder laut zu werden, wie man es etwa von Pilz kannte, fragte Zadić präzise und beharrlich nach.

Von Global Shapers ...

Man merkte, dass die heute 35-Jährige ihre Wurzeln in der Juristerei hat. Sie dissertierte über den "Einfluss des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien auf Rechtsentwicklung in Bosnien, Kroatien und Serbien" und sah ihre Zukunft eigentlich im Recht. Doch gemeinsam mit ihrer engen Freundin Stephanie Cox beschloss sie, es mit der Politik zu versuchen. Die beiden sind Mitglieder der "Global Shapers", einer Gruppe junger Menschen, die "Verantwortung für den Planeten" übernehmen wollen. Pilz nahm Zadić unter seine Fittiche und mit in den BVT-U-Ausschuss.

Aber auch abseits davon sorgte Zadić für Aufmerksamkeit. Und wieder einmal spielte Sobotka eine Rolle. Der reagierte nicht sofort auf rassistische Zwischenrufe seines damaligen Parteifreundes Johann Rädler, der Zadić während ihrer Rede an den Kopf warf: "Wir sind hier nicht in Bosnien." Erst mit Verspätung rügte ihn Sobotka.

Er habe etwas Zeit gebraucht, um in die Rolle des Parlamentspräsidenten hineinzuwachsen, sagen Vertraute über den Niederösterreicher. Sobotka war nie die logische Wahl für das Amt, das von Überparteilichkeit und Verbindlichkeit geprägt ist. Dass er als Häferl schnell überkocht, bewies er im Juli von der Abgeordnetenbank aus: Mit hochrotem Kopf brüllte er den roten Mandatar Jörg Leichtfried am Rednerpult an, als dieser der ÖVP Bestechlichkeit vorwarf. Auch hinter den Kulissen soll er manchmal lauter werden. Den Platz im Verhandlungsteam hat Sobotka seiner Loyalität zu Sebastian Kurz zu verdanken. Die hat er schon bewiesen, als der heutige ÖVP-Chef noch Außenminister war und an seinem Aufstieg zum Kanzler arbeitete. Sobotka fungierte als "Sprengmeister" der damaligen großen Koalition, so schildert es zumindest Kurz’ Vorgänger Reinhold Mitterlehner. Der erzählt von ständigen Querschüssen des damaligen Innenministers gegen den eigenen Chef.

... und "harten Verhandlern"

"Ich akzeptiere einen Obmann und bin loyal, wenn er für die Partei da ist und für das Land etwas Positives bewirken möchte", sagte Sobotka einmal zur Presse. "Wenn ich loyal bin, ist es nicht etwas, das mit Zufall passiert." Also stellte sich der 63-Jährige, ganz dem Wunsch seines Obmanns entsprechend, mit besten Absichten auf die türkis-grünen Koalitionsverhandlungen ein.

Mittlerweile herrscht zwischen Sobotka und Zadić durchaus ein vertrauensvolles Verhältnis, sagen Beobachter. Sie habe Sobotka als "harten Verhandler" kennenlernen dürfen, der sich "bis ins kleinste Detail" einliest, aber "ein gutes Argument schätzt" und bereit sei, "konstruktiv zu denken". Sie selbst hat durch ihre Zeit als Wirtschaftsanwältin Verhandlungserfahrungen: "Da bin ich internationalen Unternehmen gegenübergesessen."

Koglers Vertrauen

Dass Zadić die wichtige Verhandlungsgruppe leitet und selbst in der Steuerungsgruppe der Grünen sitzt, zeigt, welches Vertrauen ihr Werner Kogler entgegenbringt. Sie war die einzige Abgeordnete, die von der Liste Jetzt zu den Grünen übergelaufen ist – und die vor diesem Schritt lange zurückgeschreckt ist.

Jetzt verhandelt sie mit Unterstützung der ehemaligen Rektorin der Akademie der Bildenden Künste Eva Blimlinger sowie der grünen Urgesteine David Ellensohn und Walter Geyer. Aufseiten der ÖVP sind Gernot Blümel und Ex-Justizminister Josef Moser in dieser Gruppe dabei. "Ich habe mir ein großartiges Team an erfahrenen Experten zusammengestellt", sagt Zadić. Der Verantwortung sei sie sich "durchaus bewusst". (Sebastian Fellner, Fabian Schmid, 4.12.2019)