Regierungsprogramm: Kapitel "Familie und Jugend"

In dem nur drei Seiten umfassenden Kapitel "Familie und Jugend" hält das türkis-grüne Regierungsprogramm gleich zu Beginn fest: "Familien sind die wichtigste Gemeinschaft der Menschen." Die neue Bundesregierung erkennt allerdings gleich darauf auch "die Vielfältigkeit unterschiedlicher Familienmodelle, die Kindern ein gutes Leben ermöglichen", an.

Ausbau der Kinderbetreuung

Türkis-Grün bekennt sich zu einem flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung in Kindergärten. Im Kindergartenjahr 2018/2019 besuchten laut den Zahlen der Statistik Austria bereits mehr als die Hälfte der zweijährigen Kinder österreichweit eine Kinderbetreuungseinrichtung (52,8 Prozent), bei den Einjährigen liegt die Betreuungsquote bei 23,9 Prozent. Die kombinierte Betreuungsquote der Drei- bis Fünfjährigen liegt österreichweit sogar bei 93,7 Prozent, wobei das Burgenland und Niederösterreich mit mehr als 97 Prozent über, Kärnten und die Steiermark hingegen mit unter 89 Prozent deutlich unter dem Österreich-Durchschnitt liegen. Um die Kinderbetreuung in Österreich auszubauen, soll nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ nachgebessert werden. Auch sind im Kindergarten flexiblere Öffnungszeiten und der Ausbau der Nachmittagsbetreuung angedacht.

Mittelfristig soll ein zweites Kindergartenjahr gesetzlich vorgeschrieben werden. Damit es für die Kinder auch genügend Betreuungspersonal gibt, soll es zur Attraktivierung des Berufsfeldes Kindergartenpädagogik kommen. Eine Aufwertung der Ausbildung für Elementarpädagogen auf Hochschulniveau ist jedoch nicht vorgesehen.

Stärkung der Pflegeeltern

Nachdem der Oberste Gerichtshof 2019 ein türkis-blaues Gesetz gekippt hat, nach dem Krisenpflegeeltern nur noch dann Anspruch auf die Auszahlung von Kinderbetreuungsgeld hatten, wenn der junge Mensch, um den sie sich vorübergehend kümmern sollen, mindestens 91 Tage mit ihnen in einem Haushalt lebt, will Türkis-Grün nun Pflegeeltern und deren Pflegekinder besser absichern. Die Ausgestaltung soll Aufgabe einer Taskforce sein.

Reform der Familienbeihilfe

Eine wichtige Neuerung findet sich für jene 60 Prozent der Studierenden, die neben ihrem Studium arbeiten müssen. Durch eine Reform des Familienlastenausgleichsfonds soll die Zuverdienstgrenze zur Familienbeihilfe von 10.000 auf 15.000 Euro angehoben werden.

Bürokratische Hürden beim Kinderbetreuungsgeld und dem Papamonat sollen abgebaut und die Väterkarenz wie auch der Papamonat reformiert werden – zur Verbesserung der Vereinbarkeit.

Bei getrennten Elternteilen sollen Lücken bei der Unterhaltssicherung geschlossen werden – etwa durch schnellere Verfahren, aber auch die Ausdehnung des Unterhaltsvorschusses für den Zeitraum des Familienbeihilfebezugs.

Stärkung der Mitbestimmung von Jugendlichen

Bei der Jugend soll die Partizipation gestärkt werden. Etwa soll das Wahlalter bei Betriebsratswahlen dem Wahlalter in Österreich angepasst werden und auf 16 Jahre gesenkt werden. Das Schülerparlament wie auch das Ehrenamt und zivilgesellschaftliches Engagement sollen künftig aufgewertet werden.

Familien- und Eherecht

Weitere Reformen für Familien finden sich auch unter dem Kapitel Justiz. Hier sind Neuerungen im Familien- und Eherecht vorgesehen. In einem Maßnahmenpaket gegen Zwangsehe wird die Anhebung des Ehealters auf 18 Jahre und das Verbot der Heirat von Cousinen und Cousins geprüft. Dabei sollen erb- und familienrechtliche Regelungen im Fall von Nichtigerklärung von Kinderehen und Mehrfachehen evaluiert und novelliert werden.

Auch das Kindschaftsrecht soll modernisiert werden: Die gemeinsame Obsorge soll zum Regelfall werden. Dezidiert ausgenommen sind allerdings Fälle, in denen innerfamiliäre Gewalt geherrscht oder ein Elternteil die Obsorgepflicht erheblich verletzt hat. Dafür sollen auch Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren beschleunigt werden. Stärker reglementiert wird das Verfahren nach zwangsweisen Kindesabnahmen. (Oona Kroisleitner, 3.1.2020)