Die Grünen-Klubchefin sieht Vergleiche mit 2015 "überhaupt nicht angebracht".

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Nickelsdorf – Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer sieht durch die Flüchtlingsbewegung in der Türkei keinen Anlass, den zwischen ÖVP und Grünen vereinbarten Krisenmechanismus auszulösen, der Beschlüsse zur Grenzsicherung ohne Einverständnis des Koalitionspartners erlauben würde. Dieser sei nur für "absolut unvorhergesehene Dinge" gedacht, diese gebe es derzeit nicht, sagte sie am Montag in einer Pressekonferenz.

Vergleiche zur Flüchtlingskrise vor fünf Jahren seien "überhaupt nicht angebracht", meinte Maurer: "Eine Situation wie 2015 sehe ich derzeit nicht." Mit dem Koalitionspartner ÖVP sei man laufend im Gespräch, meinte sie zur Frage, ob es hier beiderseitiges Einvernehmen gebe. Den Modus im Koalitionsabkommen – den Begriff "koalitionsfreier Raum" lehnte sie ab – sah sie derzeit nicht benötigt.

Regierungsberatungen am Dienstag

Man müsse jetzt man auf europäischer Ebene diskutieren, denn Europa habe hier versagt. Die grüne Perspektive sei in erster Linie eine humanitäre, es gehe darum, Leid zu lindern. Es brauche auch eine Lösung für die Region und die Situation insgesamt, eine europäische Friedensinitiative. Klar sei, dass die Lage in Nordsyrien eine sehr schwierige sei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan betreibe ein "sehr zynisches, böses Spiel auf dem Rücken von Menschen", meinte sie, erinnerte aber auch an die extrem große Zahl an Flüchtlingen, die die Türkei beherberge.

Die Bundesregierung wird Dienstagfrüh die jüngsten Entwicklungen in der aktuellen Migrationskrise besprechen. In einer Arbeitssitzung sollen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Innenminister Karl Nehammer, Außenminister Alexander Schallenberg und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (alle ÖVP) auch ein Maßnahmenpaket erarbeiten, hieß es zur APA. Inhalt der Arbeitssitzung sind die Entwicklungen in Syrien und der Türkei. Nach den Beratungen soll ein Maßnahmenpaket zum Grenzschutz sowie der Hilfe vor Ort vorgestellt werden.

Kogler: Im Notfall Kinder von griechischen Inseln holen

Kogler hat im Vorfeld der Besprechung bereits am Montag seine Ideen kundgetan. Er will zum einen eine Soforthilfe für die Krisenregion im Nordwesten Syriens, zum anderen fordern er und die Grünen die Schaffung menschenwürdiger Bedingungen für die Migranten auf den griechischen Inseln. "Wenn das nicht gelingt, sind wir dafür, Frauen und Kinder herauszuholen".

Was das Abkommen mit der Türkei betrifft, sprach sich Kogler für dessen Fortsetzung aus. Es müsse allerdings über die Bedingungen gesprochen werden. "Österreich sollte in der Union darauf hinwirken, dass die sinnvollen Programme glaubwürdig fortgesetzt werden." Das Verhalten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Kogler als "bösartige Aktion und Hilferuf zugleich". Die Union dürfe sich "nicht von Erdogan erpressen lassen". Auch Kogler glaubt nicht, dass die aktuelle Krise den türkis-grünen Krisenmechanismus, der einen koalitionsfreien Raum in Migrationsfragen vorsieht, auslösen könne. Dieser sei nur für unvorhersehbare Ereignisse vorgesehen, und das sei hier nicht der Fall.

FPÖ will Flüchtlinge nicht in EU aufnehmen

Die Zuspitzung der Lage an der türkisch-griechischen Grenze hat am Montag auch in der Opposition unterschiedliche Reaktionen in Österreich hervorgerufen. Während SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner einen EU-Sondergipfel fordert, begrüßte der freiheitliche Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky, die Entscheidung der griechischen Regierung, derzeit keine neuen Asylanträge anzunehmen.

Griechenland müsse beim Schutz der Außengrenzen unterstützt werden, meinte Vilimsky. "Die Migranten, die jetzt vor der Außengrenze stehen, wurden von der Türkei seit Jahren versorgt, und sie sind dort in keiner Weise verfolgt – es gibt also keinen Grund, sie als Flüchtlinge zu akzeptieren", argumentierte der EU-Abgeordnete. Auch innerhalb der EU muss es für derartige Ausnahmefälle die Möglichkeit für Grenzschließungen geben.

SPÖ will neuen Türkei-Deal und europäische Asyl-Lösung

Rendi-Wagner sieht hingegen eine "humanitäre Katastrophe" an der türkisch-griechischen Grenze, die "sofortiges Handeln" erfordere. Die SPÖ-Chefin verlangte bei einer Pressekonferenz am Montag die Einberufung eines Sonderrates bzw. Sondergipfels auf europäischer Ebene und die Verlängerung des EU-Türkei-Deals. Seit dem letzten Türkei-Deal habe man sich "zurückgelehnt" und Symbolpolitik betrieben. Man habe verabsäumt Konzepte zu erstellten, die bei der Bewältigung der aktuellen Krise helfen könnten.

Auch hierzulande sei lediglich "Symbolpolitik" betrieben worden, wie das Austauschen von Türschildern oder Ankündigungen, die Balkanroute zu schließen. In puncto Außengrenzschutz oder nachhaltige Hilfe vor Ort sei hingegen nichts passiert. (APA, red, 2.3.2020)