Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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Die Nachrichten zur Auslegung der Maßnahmen, um das Coronavirus einzudämmen, überschlagen sich. So gab die Sprecherin des Justizministeriums, Christina Ratz, auf APA-Anfrage Donnerstagmittag bekannt, dass Scheidungskinder ihren getrennt lebenden Elternteil nicht mehr sehen, sondern den Kontakt nur noch via Skype aufrechterhalten sollen. Das führte zu einem Sturm der Kritik am Justizministerium. Etliche Rechtsanwaltskanzleien erhielten Anfragen von besorgten Eltern, wie nun weiter vorzugehen sei.

Ausnahmen für Personen aus den Risikogruppen

Nachdem es (zumindest zum aktuellen Zeitpunkt) keine rechtliche Grundlage für ein generelles Kontaktverbot bei Scheidungskindern gibt, hat das Justizministerium dann am Donnerstagabend doch Entwarnung gegeben und angekündigt, dass in einem neuen Erlass des Gesundheitsministeriums eine Ausnahme für Scheidungskinder geplant sei. Wie genau diese Ausnahmen aussehen sollen, wird am Montag bekanntgegeben. Derzeit gilt daher Folgendes: Bis auf Weiteres kann das Kontaktrecht grundsätzlich ausgeübt werden, zumindest in den Gebieten, die nicht unter Quarantäne stehen. Eine Aussetzung des Kontaktrechts wäre in manchen Fällen aber gerechtfertigt, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass das Kind oder eine weitere Person, die mit dem Kind im Haushalt lebt, krank ist und potenziell infiziert sein könnte. Gleiches gilt, wenn eine Person aus den Risikogruppen, die mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, durch den Kontakt mit dem anderen Elternteil gefährdet werden würde.

Persönliche Befindlichkeiten hintanstellen

Bis eine Klarstellung durch das Gesundheitsministerium erfolgt, sollten persönliche Befindlichkeiten und Ressentiments aus einer Trennung jedenfalls hintangestellt werden, und man sollte versuchen, einen lebbaren und guten Kompromiss zu finden. Denkbar wäre hier etwa, das Kontaktecht im Freien auszuüben und gemeinsam spazieren zu gehen.

Sollte ein Elternteil den Kontakt zu Unrecht verweigern, gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, einen Antrag auf Verhängung von Zwangsmaßnahmen (etwa eine Geldstrafe) zu stellen, und das Gericht hat die Möglichkeit, Elternteile zu einer Elternberatung zu verpflichten oder den Eltern einen Besuchsmittler zur Seite zu stellen, der die Übergaben des Kindes begleitet. Derzeit sind diese Möglichkeiten aber stark beschränkt, und es ist daher davon auszugehen, dass die Gerichte sehr zurückhaltend sind bei der Verhängung von Zwangsmaßnahmen. (Carmen Thornton, 20.3.2020)