Die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic bei ihrem Besuch im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos Anfang März. Sie fordert dringend die Verteilung der Flüchtlinge.
Foto: David Pichler

Wien – Die geplante Großdemonstration "Asyl ist Menschenrecht", zu der zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, aber auch Proponenten der Grüne aufgerufen haben, findet nicht auf der Straße statt, sondern musste aufgrund der Corona-Krise ins Internet verlegt werden. Am Samstag ab 14 Uhr wird also virtuell demonstriert, die Plattform für eine menschliche Asylpolitik wird die Reden ab 14 Uhr online streamen und sollte in den sozialen Medien unter #WirHabenPlatz zu finden sein.

In der Plattform engagieren sich auch Abgeordnete der Grünen wie die Abgeordnete Faika El-Nagashi, obwohl die Stoßrichtung der Demonstration dezidiert regierungskritisch ist. Ihre Kollegin Ewa Ernst-Dziedzic wird ebenfalls an der virtuellen Demonstration teilnehmen, sie hält es für eine gefährliche Entwicklung, dass die Flüchtlingsproblematik aufgrund des Corona-Notstands derzeit aus der öffentlichen Wahrnehmung und der politischen Debatte gedrängt wird. Dass Flüchtlinge in Europa derzeit isoliert würden, wie etwa im Lager Moria auf Lesbos, sei brandgefährlich. Stattdessen müsste man ihnen auf der Insel Zugang zu Gesundheitseinrichtungen gewähren, fordert die grüne Abgeordnete. Das öffentliche Klima sei derzeit aber so vergiftet, dass es schwierig sei, Lösungen zu finden, die mehrheitsfähig sind, oder auf Griechenland einzuwirken.

Der Großbrand im Lager Moria auf Lesbos vor ein paar Tagen habe die Lebensgefahr, in der sich die Flüchtlinge befinden, versinnbildlicht. Ernst-Dziedzic: "Wenn in diesem Lager, das derzeit ganz abgeschottet ist, das Coronavirus ausbricht und sich verbreitet, dann gibt es dort ein Massensterben. Das ist nicht nur eine akute Gefahr für die Flüchtlinge dort, sondern für uns alle." Europa dürfe hier nicht zuschauen.

Gegen den Willen der ÖVP

Ernst-Dziedzic spricht sich für eine Aufnahme von besonders gefährdeten Gruppen wie unbegleiteten Minderjährigen aus – im Wissen, dass das gegen den politischen Willen des Regierungspartners ÖVP, zumindest dessen Entscheidungsträgern ist. "Das ist die Position der Grünen in Österreich", betont die grüne Abgeordnete, die auch stellvertretende Klubchefin der Grünen im Parlament ist. "Österreich sollte sich an einer Allianz der Willigen beteiligen. Mir ist allerdings bewusst, dass das aufgrund der aktuellen Situation in Europa derzeit kein Thema ist."

Auf die ÖVP will Ernst-Dziedzic weiterhin einwirken. "Es ist richtig, dass wir die Aufnahme von Flüchtlingen nicht im Regierungsübereinkommen vereinbart haben, aber wir müssen mit der ÖVP diese Debatte führen, wie Österreichs Beitrag hier aussehen kann. Auch der Kampf gegen die Corona-Krise steht nicht im Regierungsprogramm und wird geführt." Die Abgeordnete mahnt den Koalitionspartner eindringlich: "Wir dürfen auch in dieser Krise nicht den letzten Funken an Humanismus verlieren. Dann haben wir in Europa nämlich die vielbeschworenen Werte verloren. Das wäre verantwortungslos."

Ein zwischenzeitlicher Erfolg, den Ernst-Dziedzic gemeinsam mit Reinhold Lopatka von der ÖVP im Parlament erreicht hatte, kann vorerst nicht umgesetzt werden. Der Mehrheitsbeschluss im außenpolitischen Ausschuss für verstärkte, auch finanzielle, Unterstützung der Flüchtlinge in Griechenland, der auch von SPÖ und Neos mitgetragen wurde, wird im Plenum des Parlaments am Freitag nicht behandelt. Die insgesamt 44 Gesetze – 39 Gesetze werden geändert, fünf neue kommen dazu – zur Bekämpfung der Corona-Krise haben Vorrang.

Die Spendenaktion der Caritas zur Unterstützung der Flüchtlinge in Griechenland ist mit insgesamt 700.000 Euro, die allein auf Facebook lukriert werden konnten, ein großer Erfolg, kam in den vergangenen Tagen aber ebenfalls zum Stillstand. Corona deckt als Thema alles andere zu. (Michael Völker, 20.3.2020)