Satirikerin Lisa Eckhart will die von ihr geortete Doppelmoral politisch korrekter "Gutmenschen" entlarven. Mit einem Fernsehauftritt handelte sie sich nun Antisemitismus-Vorwürfe ein.

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Ob sie sich wegen der so fragwürdigen wie unverhofften Medienpräsenz still ins Fäustchen lacht, weiß man nicht. Ihrer Bühnenfigur ist es jedenfalls zuzutrauen – denn die kennt wenig Selbstzweifel. Lisa Eckhart, 27, hat sich als Satire-Gesamtkunstwerk binnen weniger Jahre von hiesigen Kleinkunstbühnen bis ins deutsche TV emporgerankt. Als Femme fatale im Stil der Goldenen Zwanziger und mit ins Heute transformierter Fin-de-Siècle-Rhetorik, hat sie das Kabarettfach interessant neu definiert.

Obendrein tut sie dies mit einer bis zur Ignoranz hinüberkippenden altösterreichisch-aristokratischen Arroganz, die dem deutschen Medienzirkus letztmalig vielleicht in der Figur von Selfmade-Asshole Falco begegnet ist und schon von der Konzeption her nichts als Ambivalenz hervorrufen kann. Wenn die Kunstfigur mit der Person dahinter verschwimmt, weil diese auch abseits der Show präsent bleibt, wird die Sache noch komplizierter.

Lisa Eckhart forciert, ja verkörpert, die Provokation auf wie abseits der Bühne und ist bislang recht gut damit gefahren: als Poetry-Slammerin aus der steirischen Provinz mitten hinein ins stolze deutsche Feuilleton.

Genau dort aber steht sie jetzt in der Kritik. Antisemitismus und Rassismus lauten die Vorwürfe. Entzündet hat sich die Debatte an einem erst jetzt medial breiter rezipierten Auftritt im WDR von 2018, in dem Eckhart sich über Political Correctness in der #MeToo-Debatte lustig machte und fragwürdige Denkmuster ausbreitete:

Juden und Erektionen

Sie wies darauf hin, dass Harvey Weinstein, Woody Allen und Roman Polanski, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden, alle Juden sind. "Es ist ja wohl nur gut und recht, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen", so Eckhart. Mit Geld sei nämlich nichts gutzumachen. Den Juden Reparationen zu zahlen, das sei, wie dem Mateschitz ein Red Bull auszugeben. Und weiter: "Da haben wir immer gegen den Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und deshalb brauchen sie das Geld."

Mit Hinweis auf den wegen Vergewaltigung verurteilten Bill Cosby stellte Eckhart fest, dass "die Erektion des schwarzen Glieds alle sieben Liter Blut, über die ein Mensch verfügt", brauche, weswegen es im Kopf dann fehle. Und mit Kevin Spacey habe sich eben ein Schwuler schuldig gemacht. Wenn die "Unantastbaren beginnen, andere anzutasten", so Eckhardt in der WDR-Show, sei das "der feuchte Albtraum der politischen Korrektheit".

Von der Jüdischen Allgemeinen Zeitung über FAZ, taz und Zeit bis hin zu Antisemitismus-Beauftragten von offiziellen Stellen setzte es Kritik, der WDR verteidigte Eckhardt so: Die Künstlerin erörtere "die Schwierigkeiten im Umgang mit Minderheiten, mit Schutzwürdigen, mit Verehrungswürdigen, wenn diese Personengruppen sich Verfehlungen leisten, schuldig werden oder straffällig."

Das kann man sich so hinbiegen. Und es ist bekannt, dass das Gesagte durchaus zum Standard-Repertoire der Gescholtenen gehört. Tatsächlich scheint es aber überfällig, Eckharts Kritik an der Political Correctness, die immer mehr zur Fixierung wird, einer Revision zu unterziehen.

Lieblingszielscheibe "Gutmensch"

Als Lieblingszielscheibe hat sie sich – zuletzt auch vermehrt in Zeitungskommentaren – ein linksliberales "Gutmenschentum" mit seinen ach so garstigen und gängelnden PC-Regeln zurechtgelegt. Eckhart selbst will sich nicht in politische Schubladen stecken lassen, andere sortiert sie dafür umso emsiger ein. Polemische Brillanz scheint zudem wichtiger als die Formulierung eines Gegenentwurfs zum Kritikgegenstand.

Dass sie etwa in ihren Programmen beharrlich das Wort "Neger" verwendet, erklärte Eckhardt dem STANDARD einmal damit, dass sie in Wunden ihres weißen Publikums bohren wolle, "das seinen Humanismus oft nur stupid auswendig gelernt" hätte und nun alles bekämpfe, was dem widerspricht. Und dabei gehe es dem Publikum "wie so oft nur um sein eigenes Unbehagen und nicht um das der Schwarzen".

Soll heißen: Der Kritik an weißer Doppelmoral – die Eckhart mehr unterstellt als belegt – wird mehr Gewicht eingeräumt als dem Anliegen der beleidigten Minderheiten selbst. Was die dazu sagen? Scheinbar egal.

Höheres Wirtshausgerede

Es bleibt schleierhaft, was damit gewonnen sein soll, das "Weib-und-Neger-Gerede" vom Wirtshaus – wo es im Übrigen gar nicht mehr so verbreitet ist, wie Eckhart denkt – auf die Bühne zu zerren. Wird hier wirklich irgendetwas demaskiert? Oder wird nicht vielmehr rassistisch-sexistisches Restdenken, das in jedem von uns schlummert, konserviert, getriggert, kultiviert? Es mag schon sein, dass Lisa Eckhart der Gesellschaft, wie sie sie sieht, den Spiegel vorhalten will. Die Gefahr aber besteht, dass bald nur noch jene hineinblicken, die sich darin ohnehin gefallen. (Stefan Weiss, 9.5.2020)