Es ist einigermaßen fatal, was da seit gut einem Jahr ans Tageslicht befördert wird. Erst der Postenschacher bei der Casinos Austria, dann die Allmachtsfantasien des späteren Vizekanzlers Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video. Und jetzt auch noch die Enthüllungen im Untersuchungsausschuss, in dem Norbert Hofer unumwunden einen Postenschlüssel unter Türkis-Blau eingestand. Auf zwei von der ÖVP nominierte Aufsichtsräte kam eine FPÖ-Person. Das klingt nicht nur nach Proporz, das ist es auch.

Da gehört dringend reformiert, doch in welche Richtung? Diese Frage ist gar nicht so trivial. Natürlich sollen die Eignung und die Integrität der Kandidaten in wichtigen Bereichen von der Bundesbahn bis zur Statistik Austria, von der Staatsholding bis zu den Museen unbestritten sein. Doch wie sieht es mit dem politischen Einfluss aus? Der gehöre weg, tönt es nun. Wirklich?

Vor dem Saal des Ibiza-U-Ausschusses.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Über staatliche Betriebe, ausgegliederte Regulierungsbehörden, Kultureinrichtungen oder das Arbeitsmarktservice wird klarerweise Politik gemacht. Eine ÖBB-Führung, die etwa aus Kostengründen gegen Regierungsvorhaben bei der Attraktivierung des öffentlichen Nahverkehrs arbeiten würde, wäre kontraproduktiv. Um Gestaltungswillen umsetzen zu können, müssen daher auch die richtigen Personen in die richtigen Positionen gehievt werden. Daher ist es auch übertrieben, immer gleich die Umfärbung zu skandalisieren, wenn eine neue Regierung neue Leute installiert. Wie bitte soll eine grüne Verkehrsministerin ihre politische Ambitionen in einem blauen Bahn-Aufsichtsrat ventilieren?

Noch einen Aspekt gilt es zu bedenken. Angesichts der großen Summen und der massiven Folgen, auf die der Staatsapparat Einfluss nimmt, muss eine klare Verantwortung gewährleistet sein. Die wird aber verwässert, wenn sich der zuständige Minister auf mangelnde Mitwirkungsrechte berufen kann. So kann sich Türkis-Blau beispielsweise nicht abputzen, wenn es in der Nationalbank drunter und drüber geht. Wäre die Personalentscheidung nicht von der Regierung getroffen worden, könnte man sie auch nicht zur Rechenschaft ziehen.

Natürlich wäre es sinnvoll, die Qualifikation von Kandidaten stärker in den Fokus zu rücken und Postenschacher im Sinne von parteipolitischer Besetzung zu unterbinden. Doch dass Politik immer auch Personalpolitik sein muss, sollte nicht aus dem Blickfeld geraten. (Andreas Schnauder, 5.7.2020)