Unser Umgang mit Urin ist verschwenderisch. Ein natürlicher, nährstoffreicher und erneuerbarer Rohstoff wird einfach so im Klo unter massivem Wasseraufwand runtergespült und später unter teils enormen Energieaufwand wiederaufbereitet. In der EU werden jedes Jahr 240 Milliarden Liter Urin mit 2.900 Milliarden Litern Trinkwasser verdünnt, bevor sie den Weg in die Kanalisation finden. In Europas Flüssen und Meeren enden viele Liter Urin, wo sie den Algenwuchs stark antreiben.

Das war nicht immer so. Tatsächlich wurden noch Anfang des 20. Jahrhunderts in Paris knapp 60 Prozent des Urins recycelt – ein Wert, der sich mit der fortschreitenden Industrialisierung der Wirtschaft rapide verminderte. Das liegt vor allem auch daran, dass die für das Pflanzenwachstum so wichtigen Stoffe Kalium, Phosphor und Stickstoff in synthetischen Düngemitteln bereitgestellt wurden. Ihre Konzentration war in den künstlichen Wachstumsmitteln bis zu 25-mal potenter als im menschlichen Urin, weshalb die Industrie schnell das natürliche Düngemittel vernachlässigte. Derzeit landen jährlich bis zu 18 Millionen Tonnen künstlicher Düngemittel auf Europas Feldern.

Urin soll wieder vermehrt auf Ackerflächen landen.
TOOPI Organics

Umweltschonender

Drei junge Franzosen wollen nun aber dank der Zufuhr eines Bakterienmix Recycling-Urin zu einer günstigeren und effektiveren Alternative für die Pflanzendüngung entwickelt haben. Bei Toopi Organics glaubt man, dabei nicht weniger als eine "Peevolution" einleiten zu können, wie es die – Wortspielen durchaus zugeneigten – Firmengründer nennen. In Tests soll das Urin-Düngemittel deutlich besser als herkömmliche synthetische Düngemittel abgeschnitten haben.

Je mehr natürliche Düngemittel es gebe, desto weniger Phosphor und Kalium müssten zudem unter teils fragwürdigen Bedingungen in Nordafrika und Russland abgebaut und nach Europa transportiert werden. Nicht zuletzt deshalb sei Urin deutlich umweltfreundlicher.

Urinproben und Festivaltoiletten

Da das Sammeln des Urins in privaten Haushalten aber noch sehr lange ein schwieriges Unterfangen bleiben dürfte, konzentriert sich Toopi bisher auf Urin aus Krankenhäusern, öffentlichen Einrichtungen, aber auch Festivaltoiletten. Ein bis fünf Prozent des französischen Urins will man so mittelfristig sammeln.

Die Firma ist bereit, für die logistischen Details und eine geruchsneutrale Sammlung zu sorgen. Nicht zuletzt möchte man bereits im kommenden Herbst dank eines Ein-Million-Euro-Investments die Produktion nahe Bordeaux so richtig hochfahren. (faso, 8.7.2020)