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Die Mathe-Zentralmatura, ein Ort ständiger Unruhe.

Foto: Getty images / Dominik Pabis

Das Fressverhalten von Furchenwalen – was läge näher an der Lebensrealität von 18-jährigen Absolventinnen und -absolventen der berufsbildenden höheren Schulen (BHS). Zu berechnen war bei der heurigen Zentralmatura im Fach Mathematik unter anderem die Länge des Weges, der beim Beutestoß zurückgelegt wird. Auch die maximale Größe der Maulöffnung galt es rechnerisch zu ermitteln.

Umbauplan

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will bei der Zusammenstellung und Zielrichtung der Matheaufgaben groß umbauen – quasi als Antwort auf die Ergebnisse der heurigen Mathe-Zentralmatura in den allgemeinbildenden höheren Schulen. Rechenbeispiele wie das oben genannte gelten dabei als richtungsweisend, seien doch die Resultate im BHS-Bereich konstant besser, argumentiert der Ressortchef.

Dabei haben nach Einberechnung von Jahresnote und allenfalls notwendiger Kompensationsprüfung auch ganze 97,5 Prozent der AHS-Schülerinnen und -Schüler bestanden. Warum also die Aufregung? Weniger gehe es ihm um die Zahl der Nicht genügend, erklärte der Minister. Vielmehr solle Teil 2 der Mathematura reformiert werden – jener Bereich also, bei dem es um die Fähigkeit geht, die eigenen Grundlagen des mathematischen Verständnisses in neuen Beispielsituationen anzuwenden – damit können folglich bessere Noten eingefahren werden.

Gruppen- und andere Dynamik

Faßmann argumentiert, in diesem Bereich habe man bei der Aufgabenerstellung die berufspraktische Orientierung aus den Augen verloren. Also plane er, auch unter Eindruck eines vor kurzem publizierten kritischen Rechnungshofberichts, eine Neubesetzung jener rund zehnköpfigen Gruppe von Pädagoginnen und Pädagogen, die mit der Erstellung der Rechenbeispiele betraut ist. Die Vermutung des Ressortchefs über die "Gruppendynamik" im eigenen Team: Da könnte ein Wettbewerb entstanden sein, gemäß der Devise: "Wer kann es noch gefinkelter?" Um die ministerielle Hintergrundarbeit im AHS- und BHS-Bereich anzugleichen, habe man die entsprechenden Abteilungen schon länger zusammengelegt, ganz wie vom Rechnungshof gewünscht. Neuer Chef werde Martin Hofer, bisher zuständiger Referatsleiter für die berufsbildenden höheren Schulen.

Bei Eva Sattlberger sorgt das für Verwunderung. Hat sie doch bis Februar 2019 das Referat Mathematik AHS geleitet – und bereits damals an ihren Nachfolger übergeben. Sein Name: Martin Hofer. Auf Nachfrage des STANDARD erklärt Sektionschef Andreas Thaller, dass Herr Hofer tatsächlich bereits seit 2019 den fusionierten Referaten vorsteht, allerdings habe eine Mitarbeiterin Entscheidungen im AHS-Bereich eigenverantwortlich getroffen.

"Da tut man ihnen unrecht"

Dass ihrem ehemaligen Team jetzt öffentlich das Misstrauen ausgesprochen wird, ärgert die Mathematik-Didaktikerin Sattlberger, die aktuell an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems unterrichtet. "Da ist niemandem egal, ob ein Schüler das schafft oder nicht – da tut man ihnen unrecht." Die Ansicht des Ministers, dass eine rotierende Zusammensetzung der sogenannten "Item-Writer" frischen Wind bringen würde, teilt Frau Sattlberger übrigens. Eine gewisse Fluktuation habe es auch zu ihrer Zeit bereits gegeben. Die Schlussfolgerung, dass dies das einzige Problem in Zusammenhang mit den Mathe-Ergebnissen sei, hält sie allerdings für verkürzt. Ihre Vermutung: Die kompetente Anwendung des Wissens, auf die gerade Teil 2 der Mathematura abzielt, sei im Unterricht noch nicht ausreichend angekommen.

So ähnlich sieht das auch Sektionschef Thaller, der sich "den Unterricht genauer anschauen" will. Ob eine Rückmeldung über die Unterrichtsqualität nicht am besten über eine zentrale Beurteilung der zentralen Matura zu erreichen sei? "Da würden wir einen Verwaltungstiger schaffen." Der Rechnungshof sieht das anders.

(Karin Riss, 8.7.2020)