Einem Medienbericht zufolge soll der gesuchte Marsalek auf einer Gästeliste eines Folkloreabends für Sobotka in Moskau gestanden sein.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien/Aschheim – Die FPÖ will die Tagesordnung des von der ÖVP einberufenen Nationalen Sicherheitsrats am Dienstag ergänzen: Eigentlich sollte es dabei nur um angebliche freiheitliche Verstrickungen in die Causa Wirecard gehen. Die Blauen wollen im Gegenzug von ihnen vermutete Treffen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) mit dem gesuchten Manager Jan Marsalek und Vertretern von Kaspersky beleuchten.

Sobotka soll in seiner Zeit als Innenminister auf einer Russlandreise im Mai 2017 mit dem derzeit auf der Flucht befindlichen Wirecard-Vorstand Marsalek zusammengetroffen sein. Laut "SZ" soll der gesuchte Manager auf der Gästeliste eines Folkloreabends für Sobotka in Moskau gestanden sein. Zudem soll Sobotka im Zuge dieser Reise Jewgeni Kasperski, den Gründer des russischen Sicherheitssoftware-Unternehmens Kasperky Lab, getroffen haben. Kaspersky-Produkte standen aufgrund von Sicherheits- und Spionagebedenken in der Kritik.

Pornoanbieter prüfen

Die FPÖ interessieren im Sicherheitsrat auch jene Berichte, wonach Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Wirecard in der Anfangszeit des Unternehmens geholfen haben sollen, Anbieter pornografischer Inhalte im Internet auf ihre Zahlungsfähigkeit zu prüfen. Wie berichtet, soll dies nebenberuflich erfolgt sein.

Der Nationale Sicherheitsrat solle nun gemeinsam mit der Bundesregierung über die "schnellstmögliche Aufklärung der mutmaßlich bis ins Jahr 2000 zurückreichenden Kontakte zwischen dem Bundesministerium für Inneres und Jan Marsalek" beraten, verlangen die Freiheitlichen nun in ihrem der APA vorliegenden Ersuchen. Auch Maßnahmen sollten erörtert werden, um illegale Informationsabflüsse aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Kaspersky dementiert

Das russische Sicherheitssoftware-Unternehmen Kasperky Lab hat ein Zusammenkommen von Firmengründer Jewgeni Kaspersky und Sobotka in Russland dementiert. "Es kam niemals zu einem solchen Treffen in Moskau", sagte eine Sprecherin des Unternehmens am Freitag zur APA. Allerdings habe es eine kurze Begegnung "auf einem Ball in Wien 2017" gegeben.

Nach Jan Marsalek wird nach wie vor gefahndet.
Foto: HO

Die Aussage der Freiheitlichen, es sei zu einem Treffen Sobotkas mit Kaspersky gekommen, bezeichnet das Unternehmen nun als "faktisch falsch". Aber: "Auf einem Ball in Wien 2017 wurden beide einander kurz und informell vorgestellt. Danach gab es keine weiteren Treffen."

Anwaltskanzlei verklagt Finanzaufsicht Bafin im Wirecard-Skandal

In Deutschland verklagte unterdessen die Anwaltskanzlei Tilp im Wirecard-Skandal nun auch die Finanzaufsicht Bafin auf Schadenersatz. Die Amtshaftungsklage sei beim Landgericht Frankfurt eingereicht worden.

"Die Bafin hat sich unseres Erachtens jahrelang unter grober Missachtung ihrer gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse eigener Ermittlungen gegenüber der Wirecard AG wegen Marktmanipulation verweigert", sagte Rechtsanwalt Andreas Tilp am Freitag. Obwohl sie die öffentliche Berichterstattung über massive Unregelmäßigkeiten bei Wirecard genau gekannt habe, sei die Behörde einseitig gegen Journalisten und Leerverkäufer vorgegangen.

Verschwundene Milliarden

Wirecard sorgte für einen der größten Bilanzskandale in der deutschen Geschichte. Der Dax-Konzern hat nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft München mindestens seit 2015 seine Bilanzen gefälscht. Doch erst Mitte Juni stellte Wirecards langjähriger Bilanzprüfer EY fest, dass rund 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten bei philippinischen Banken lagen, nicht existierten – ebenso wie große Teile des Asien-Geschäfts. Tilp hat wegen des Skandals bereits EY und frühere Vorstände des zusammengebrochenen Zahlungsabwicklers verklagt.

Tilp argumentiert, dass die Bafin mindestens für Geschäfte mit Wirecard-Papieren ab dem 18. Februar 2019 Schadenersatz leisten müsse. "Hätte sie ordnungsgemäß ermittelt, wäre der Bilanzbetrug am Freitag, dem 15. Februar 2019, längst öffentlich bekannt gewesen", sagte er. An dem Tag hatte die Bafin die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) mit der Prüfung der Wirecard-Bilanz beauftragt. Wie in den früheren Klagen beantragte Tilp auch diesmal ein Musterverfahren. Bei einem Musterverfahren handelt es sich um eine Art Sammelklage, bei der einer im Namen von vielen klagt.

Scholz' Plan stößt auf Skepsis

Aktionärsschützer haben sich skeptisch zu der vom deutschen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) geplanten Verschärfung der Finanzaufsicht infolge des Wirecard-Bilanzskandals gezeigt. "Wir haben eigentlich alle Gesetzte die wir brauchen. Wir müssen sie nur anwenden", sagte Daniela Bergdolt am Freitag dem Bayerischen Rundfunk. Die bestehenden Gesetze müssten aber auch zu einer tatsächlichen Haftung führen. Als Beispiel nannte sie die Wirtschaftsprüfer von Wirecard. "Es muss klar sein, wer schlampig prüft, haftet. Das ist eine Sache der Rechtsprechung. Die wird jetzt kommen."

Die Grünen begrüßten zwar, dass sich Scholz infolge des Wirecard-Skandals "bei der Fehlerkorrektur ins Zeug" lege. "Doch genau das erwarten wir auch bei der Aufklärung", erklärte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz. "Wenn man etwas korrigieren möchte, muss man doch genau wissen, wo, warum und wie Fehler passiert sind", sagt Bayaz. Erst dann könnten Finanzaufsicht und Wirtschaftsprüfung so aufgestellt werden, dass Betrugsfälle künftig verhindert würden. "Aufklärung und Reform müssen Hand in Hand gehen."

Vor dem Hintergrund des mutmaßlichen Bilanzbetrugs des Finanzdienstleisters Wirecard will Scholz einem Medienbericht zufolge die gesetzlichen Vorschriften reformieren. Dazu habe der Minister einen 16 Maßnahmen umfassenden Aktionsplan vorgelegt, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Er soll demnach so schnell wie möglich in entsprechende Gesetze münden, die bis Frühling 2021 verabschiedet werden sollen. Der Plan soll laut "SZ" mit dem Kanzleramt sowie den Ressorts für Inneres, Justiz und Wirtschaft abgestimmt werden.

Fortschritte bei Investorensuche

Der vorläufige Insolvenzverwalter des in einen milliardenschweren Betrugsskandal verwickelten deutschen Konzerns Wirecard meldet Fortschritte bei der Investorensuche: Für das Kerngeschäft hätten 77 Interessenten Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeichnet, teilte Insolvenzverwalter Michael Jaffé am Freitag mit.

"Wir sind zuversichtlich, einen Investor für das Kerngeschäft zu finden, das erhebliche unternehmerische Chancen in einem enorm wachsenden Markt für einen Investor bietet." Der Geschäftsbetrieb soll fortgesetzt werden. Wirecard hatte im Juni dieses Jahres Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. (APA, red, 24.7.2020)