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Das Coronavirus macht keine Ferien – aber das soll die ersten Herbstferien in Österreich nicht trüben. Auch wenn sie pandemiebedingt etwas anders gestaltet werden müssen als Ferien in "normalen" Zeiten.

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Das Coronavirus ist ein Spielverderber. Sowieso. Aber es ruiniert auch eine schulpolitische Premiere, auf die sich viele gefreut haben: die Herbstferien von 27. bis 31. Oktober. Mit benachbarten Wochenenden und Feiertagen kommen bis inklusive Allerseelen insgesamt zehn schulfreie Tage zusammen. Das Gute daran: In pandemischen Zeiten wie diesen bringt eine solche Schulauszeit eine Reduktion zumindest der schulbedingten Kontakte als willkommenen Nebeneffekt mit sich – so sie nicht im Privatbereich (über)kompensiert werden. Das ist nämlich das Schlechte an Ferien in Corona-Zeiten: Man soll ja so wenige soziale Kontakte wie möglich haben, also so viel wie möglich daheimbleiben. Danke, Corona!

Abgesehen vom Novum der Herbstferien sind die Schulferien an sich eine der jüngeren Ferienformen, wie – angeleitet von Historiker Roman Sandgruber – ein Blick in die Kulturgeschichte der Ferien zeigt. Genau genommen wurden sie 1749 – vor 271 Jahren – eingeführt.

Arbeit statt Unterricht

Das hatte damals sehr handfeste Gründe, die noch bis in die 1950er-Jahre eine Rolle spielten. Denn "unterrichtsfrei" hieß für die meisten Landkinder nicht freie Zeit, wie Sandgruber, emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Linz, im STANDARD-Gespräch erklärt.

Damals war der Großteil der schulpflichtigen Kinder vom Land, und die Erfindung der Schulferien entsprang aus der Notwendigkeit zusätzlicher Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, die für die Ernte jede zusätzliche Hand brauchte. Diese Zuverdienstzeit in Form von Ferien brauchten damals aber auch die sehr spärlich entlohnten Lehrer.

Wie Sandgruber erzählt, gab es in den Kriegs- und Nachkriegszeiten auch Kälteferien, schlicht weil man nicht genug Holz oder Kohle hatte, um die Schulen entsprechend zu heizen. Nicht aus Mangel, sondern um Energie zu sparen, wurden angesichts des Ölpreisschocks von 1973 Sonderferien – auch "Energieferien" genannt – eingeführt, um sich in dieser Zeit die Beheizung der Schulen zu sparen. Diese Energiesparferien – die Auspuffkolonnen in Richtung Skigebiete widersprach der guten Absicht wohl ein bisschen – wurden dann als Semesterferien umgewidmet; wirtschaftsfreundlich gestaffelt, auf dass auch die Tourismusbranche etwas davon haben möge.

Festtagszeiten für alle

Die erste Form der Ferien – vom lateinischen feriae, was Festtage bedeutet – gab es schon im alten Rom. Damals wurden weltliche Festtage zu Ehren der kaiserlichen Machthaber (Geburtstag, Amtsantritt) oder heidnisch-religiöse Ruhetage für alle festgelegt. Es gab aber auch feriae privatae, etwa anlässlich von Geburtstagen oder Beerdigungen. Es waren jene deklarierten Zeiten, in denen die politischen, öffentlichen oder privaten Geschäfte ruhten.

Die ältesten institutionellen Ferien wurden seit dem Mittelalter jedoch an Gerichten und Universitäten zelebriert, erzählt der Historiker. Seit 1521 etwa gab es in der Reichsordnung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation "geschäftsfreie Tage" im Gerichtswesen, genannt Ferien. Diese von adeligen Gewährsleuten des deutschen Kaisers geleiteten Gerichte sollten Rechtsstreitigkeiten friedlich lösen. Das taten sie mitunter recht gemächlich, was vielleicht auch an den legendär vielen Ferientagen lag, weiß Sandgruber. Ganze 104 Tage, also fast ein halbes Jahr lang, wurden Ferien zelebriert: Oster-, Pfingst- und Weihnachtsferien, Fasnachts- und an heißen Sommertagen die sogenannten Hundstagsferien und noch ein paar Tage extra.

Diese ferienintensive Rechtsfriedenssuche führte schließlich dazu, dass 1772 am Reichskammergericht zu Wetzlar sage und schreibe 20.000 Akten lagen, von denen aber nur 60 im Monat entschieden wurden. Manche Verfahren haben sich, erzählt Roman Sandgruber, "über weit mehr als hundert Jahre hingezogen". Zwanzig Jahre später soll der abzuarbeitende Aktenberg mehr als 10.000 Zentner, also 1.000 Tonnen, gewogen haben.

Goethes Ferienfreuden

Ob Johann Wolfgang von Goethe auch nur einen Akt davon bearbeitet hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Sicher ist, dass er im Mai 1772 knapp 23-jährig nach seinem juristischen Examen in Wetzlar als Rechtspraktikant angetreten war – just während irgendwelcher Gerichtsferien. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er kein einziges Mal die Schreibstube eines Richters von innen gesehen hat. Was ihm durchaus zupassgekommen sein dürfte, denn der junge Johann Wolfgang hatte ohnehin wenig Lust auf juristischen Praxisgewinn. Er wollte sich literarisch ausleben, was auf Kosten des wohlhabenden Vaters auch ganz gut klappte. Die lange Weile des Sommers 1772 sollte ihn letztlich auf die Weltbühne der Literatur katapultieren. Er hatte Zeit, um an seinem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers zu schreiben, der zwischen 4. Mai und 24. Dezember selbigen Jahres spielte.

In Österreich wurden die Gerichtsferien, die ursprünglich Zivilverfahren beschleunigen sollten, 2011 abgeschafft. Bis dahin wurde der Fristenlauf von Akten während der verhandlungsfreien Zeit zwischen 1. Juli und 25. August sowie vom 24. Dezember bis 6. Jänner unterbrochen. Anders als Deutschland, das seit 1996 keine Gerichtsferien mehr kennt, sind sie in Liechtenstein bis heute existent, auch in der Schweiz machen die Gerichte bis heute dreimal im Jahr dicht.

Von Unistadt zu Unistadt

Die zweite Institution mit sehr alten Ferienprivilegien sind die Universitäten. Grund für die ferialen Auszeiten war die hohe Mobilität der damaligen Studiosi, aber auch der Lehrenden, erklärt der Geschichtsprofessor. Die universitären Ferien dienten vor allem der Reisezeit von einer Unistadt zur nächsten. Erst im 19. und 20. Jahrhundert gewannen die Uniferien eine besondere Bedeutung als ausgelagerte Phase zur Erwerbstätigkeit, um den Lebensunterhalt finanzieren zu können.

Das sind aber noch immer nicht alle Ferien, die es so gibt: Theaterferien, Betriebs- oder Werksferien zählen ebenso dazu. Und, nicht zu vergessen, auch Politikerinnen und Politiker brauchen einmal eine Auszeit – die Parlamentsferien. Aber auch sie müssen sich noch etwas gedulden. Im Moment ist ohnehin die Aussicht auf Zwangsferien in Form eines Lockdowns dominierender. Corona, du Spielverderber. Darum erst recht: Schöne Herbstferien! (Lisa Nimmervoll, 28.10.2020)