Ein konkretes Thema finden, schlüssig argumentieren, richtig zitieren: Wissenschaftliche Arbeiten erfordern Fachwissen, Motivation und Zeit – vorausgesetzt, man verfasst sie selbst. Manchen Studierenden scheint diese Herausforderung zu groß, sie suchen den Ausweg in bezahlten Diensten professioneller Schreiber.

Ghostwriting-Agenturen, die mit wissenschaftlicher Texterstellung werben, findet man online schnell. Auch an den Schwarzen Brettern heimischer Uni-Gebäude versprechen Aushänge "Hilfe gegen Schreibblockaden". Dahinter steht oft nichts anderes als die komplette Ausfertigung akademischer Texte samt Literaturrecherche.

Der Plagiatsjäger Stefan Weber vermutet, dass 3,5 Prozent aller Studierenden ghostwriten lassen. Dabei bezieht er sich auf eine internationale Metaanalyse im Journal of Academic Ethics aus dem Jahr 2017. Bei rund 376.000 Immatrikulierten im vergangenen Studienjahr wären das in Österreich um die 13.000 Studierenden. Das sei aber nur eine grobe Schätzung, sagt Weber. "Das Ghostwriting-Business ist völlig undurchsichtig."

Überforderung und Titelwunsch

Die Gründe, einen Ghostwriter zu engagieren, sind vielschichtig. Unzureichende Vorbereitung auf wissenschaftliches Arbeiten oder zu wenig Zeit sind Argumente, die Doris Pany-Habsa kennt. "Auf Ghostwriting greifen Studierende zurück, wenn sie sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlen", sagt die Leiterin des Schreibzentrums der Universität Graz. Studierende müssten sich für wissenschaftliches Schreiben Fachkenntnisse erarbeiten und den für ihre Disziplin typischen Sprachgebrauch erlernen. Viele unterschätzten diesen Aufwand.

Wissenschaftliche Arbeiten erfordern Fachwissen, Motivation und Zeit – vorausgesetzt, man verfasst sie selbst. Manchen Studierenden scheint diese Herausforderung zu groß: Sie suchen sich einen Ghostwriter.
Foto: Imago

Peter Lieberzeit, Studienpräses der Uni Wien, vermutet noch weitere Gründe: Unter den Auftraggebern gebe es wohl Studierende, die nicht Deutsch als Erstsprache haben, und wegen sprachlicher Schwierigkeiten andere ersuchen, die Arbeit zu verfassen. "Und dann gibt es solche, die der akademische Titel mehr interessiert als der dahinterliegende Kompetenzerwerb", sagt Lieberzeit.

Unabhängig von den individuellen Beweggründen steht fest: Wer auf Ghostwriting setzt, verstößt gegen das Universitätsgesetz. Die zum Wissenschaftsministerium gehörende Ombudsstelle für Studierende fordert in ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht, dass Studierende, die sich eine wissenschaftliche Arbeit von einem Ghostwriter schreiben lassen, vom Rektorat per Bescheid von ihrem Studium ausgeschlossen werden können. Gelten solle das nur für Abschlussarbeiten und Dissertationen, nicht für normale Seminararbeiten. Auch Lieberzeit plädiert für abgestufte Sanktionen: Erstsemestrige, deren Erfahrung sich meist auf das Verfassen einer vorwissenschaftlichen Maturaarbeit beschränkt, könne man nicht so streng behandeln wie Masterstudierende, die mit den akademischen Regeln vertraut sein müssen.

"X" im Sammelzeugnis

Die Uni Wien beispielsweise dokumentiert bei aufgeflogenem Ghostwriting einer Seminararbeit die Lehrveranstaltung mit einem "X" im Sammelzeugnis. Das Seminar muss dann nochmals belegt werden. Für die Konsequenzen bei Abschlussarbeiten ist bedeutend, ob das Ghostwriting vor oder nach der Beurteilung auffällt. Ist die Arbeit schon eingereicht, aber noch nicht beurteilt, erhalten Studierende eine negative Note und müssen ein neues Thema und üblicherweise einen neuen Betreuer wählen.

Sofern das Ghostwriting erst ans Licht kommt, wenn die Abschlussarbeit schon benotet wurde, wird ein Verfahren zur Nichtigerklärung der Beurteilung geführt. Bestätigt sich der Verdacht, steht am Ende die Aberkennung des akademischen Grades.

Offizielle Fälle fast null

Doch Ghostwriting wird in den seltensten Fällen entdeckt. Die Uni Linz verzeichnete im Vorjahr zwei Fälle, an der Uni Graz gebe es keine Zahlen dazu, heißt es auf Anfrage. Das Büro des Studienpräses der Uni Wien hätten bisher nur Einzelfälle erreicht. Diegenaue Anzahl kennt Lieberzeit nicht, da "die Studienprogrammleitungen Verdachtsfälle nicht zwingend weitermelden".

Das zeigt auch: Die Unis tun sich beim Entdecken solcher Vergehen noch schwerer als von Plagiaten, wo für eine Software Textübereinstimmungen aufspürt. "Ghostwriting kann man technisch nicht erkennen", sagt Studienpräses Lieberzeit. Doch es gebe Indizien, die eine Betreuerin stutzig machen können: Lieferten Studierende schriftlich weitaus bessere Leistungen als mündlich, könne das ein Anzeichen dafür sein, dass eine Seminar- oder Abschlussarbeit keine Eigenleistung ist. Aufmerksam sollten Lehrende auch bei Stilbrüchen sein. Wichtig sei daher eine intensive Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten.

Und was lässt sich tun, um Ghostwriting schon im Vorfeld zu reduzieren? Die Ombudsstelle schlägt vor, Schreibtrainings als Pflichtkurse in jedem Studienplan zu verankern – derzeit seien sie meistens nur Wahlfächer. Für Lieberzeit ist auch die Vorbildfunktion der Lehrenden wichtig. Sie müssten glaubhaft vermitteln, warum man sich an wissenschaftliche Standards zu halten habe – schließlich gehöre das "für alle an der Uni zum Alltag". (Allegra Mercedes Pirker, 7.3.2021)