Die Masken von Hygiene Austria standen bei der Regierung hoch im Kurs – zumindest eine Zeitlang.

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Es war eine ziemliche Aufregung, als Tino Wieser im August des Vorjahrs in die Öffentlichkeit ging. Die von ihm zur Herstellung von Schutzmasken mitgegründete Firma Hygiene Austria habe bis dato keinen einzigen öffentlichen Auftrag erhalten, klagte der Palmers-Manager, stattdessen kaufe die Republik in China ein. "Es wäre wünschenswert, wenn österreichisches Steuergeld für österreichische Produkte ausgegeben wird und nicht die Wertschöpfung im Ausland stattfindet", sagte Wieser.

Seine Worte fanden Gehör. In weiterer Folge kam es offenbar zu einer ziemlichen Bevorzugung des Gemeinschaftsunternehmens von Palmers und Lenzing, dessen Gründung von der Politik lautstark beklatscht worden war und dessen Verbindung ins Kanzleramt seit Tagen von der Opposition thematisiert wird. Hygiene Austria steht seit Dienstagabend aus anderen Gründen im Rampenlicht: Razzien an zwei Standorten, Verdacht auf Schwarzarbeit und Betrug durch Umetikettierung chinesischer Masken. Die Vorwürfe werden entschieden zurückgewiesen. Mittwochabend wurde aber nach anfänglichem Dementi eingeräumt, dass chinesische Produkte zum Ausgleich von Auftragsspitzen zugekauft werden.

Ständig Probleme

Parallel dazu sind Anschuldigungen über Qualitätsmängel des rot-weiß-roten Produzenten aufgetaucht. Der Hersteller Swano-Tex war mit Hygiene Austria wegen einer Lohnfertigung im Gespräch. Nach Prüfung der Materialien des potenziellen Abnehmers habe man Hygiene Austria aber gewarnt, dass die Filterwirkung der Masken nicht den Normvorgaben für Medizinprodukte entsprochen habe.

Tino Wieser war beim Großauftrag knapp dran, scheiterte letztlich aber.
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Das ist nicht das erste Mal, dass Zweifel an der Güte der Produkte des unter Beschuss geratenen Unternehmens laut werden. Auch das Gesundheitsministerium und andere Einrichtungen haben Einwände vorgebracht, wie aus geheimen Akten hervorgeht. Sie beziehen sich auf die Beschaffung von FFP2-Masken für ältere Personen, die gratis an 1,7 Millionen Personen geschickt wurden. Mit zehn Stück pro Adressat bereitete das Ressort von Rudolf Anschober (Grüne) eine ebenso umfangreiche wie heikle Aktion vor.

Verbindungen in die Politik

Die im niederösterreichischen Wiener Neudorf produzierende Hygiene Austria, deren Chef Wieser mit der Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verschwägert ist, scheint sich für den Auftrag gut positioniert zu haben. Es kam zu mehreren Videokonferenzen und auch zu einem physischen Treffen von Hygiene-Austria-Chef Tino Wieser mit hohen Vertretern des Gesundheitsministeriums und der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG), als andere Anbieter noch keine Kenntnis von der Geschäftschance hatten. Wie sollten sie auch? Der Ministerratsvortrag für die Beschaffung wurde geheim gehalten. Bescheid wusste hingegen die Österreichische Post, die wegen des Versands der Masken in Form von Briefen mit Hygiene Austria an Bord war.

Dass Hygiene Austria anfänglich alleiniger Ansprechpartner der Beschaffer war, wird damit begründet, dass man Wert auf eine Produktion in Österreich gelegt hatte. Erstaunlich: Aus E-Mails der in den potenziellen Deal involvierten Personen erschließt sich, dass mit dem rot-weiß-roten Unternehmen Exklusivgespräche geführt worden sind. Die wohlwollende Behandlung von Hygiene Austria wird damit begründet, dass die Firma "derzeit der einzige österreichische Anbieter" sei, schreibt eine hohe Beamtin Ende November an Anschobers Kabinettschefin. Dass ein heimisches Unternehmen den Zuschlag erhalten soll, wurde zwar weder im Ministerratsvortrag noch durch andere Formalakte dokumentiert, sei aber "am Rande deutlich kommuniziert worden".

Anschober zog Reißleine

Nach mehreren Gesprächsrunden mit Tino Wieser zogen Anschobers Verhandler allerdings die Reißleine. Ihnen war zu Ohren gekommen, dass es schon bei einem Maskeneinkauf des Verteidigungsministeriums zu Differenzen mit Hygiene Austria gekommen war. Das Heeresressort hatte dabei die Produkte aus Wiener Neudorf vom Amt für Rüstung und Wehrtechnik prüfen lassen und war hernach nicht sonderlich von deren Güte überzeugt. Die Qualität sei vom Rüstungsamt als problematisch beurteilt worden, heißt es in der Dokumentation des Ministeriums, die dem STANDARD vorliegt und über die auch "Profil" berichtet. Also Grund genug, sich zumindest bei weiteren Anbietern umzusehen? Nein, zumindest vorerst nicht.

Werner Kogler, Sebastian Kurz und Rudolf Anschober wollten einen österreichischen Maskenhersteller.
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Das könnte auch mit der Position des Wirtschaftsministeriums zu tun gehabt haben, das sich für Hygiene Austria in die Schlacht warf. Es pochte laut der aus dem Gesundheitsministerium stammenden Darstellung darauf, dass das Amt für Rüstung und Wehrtechnik "keine Kompetenz bei der Beurteilung von FFP2-Masken" habe. Die von Hygiene Austria in Ungarn für die Schutzausrüstung eingeholte CE-Kennzeichnung sei ausreichend, soll das von Margarete Schramböck (ÖVP) geführte Ressort insistiert haben.

Alarm im Gesundheitsministerium

Anschobers Vertreter dürften darob einigermaßen alarmiert gewesen sein. Sie erinnerten sich noch allzu gut an das Fiasko beim Kauf von Millionen schadhafter Schutzmasken über einen Südtiroler Importeur – das Wirtschaftsministerium war damals letztverantwortlich. Die Maskenthematik erfordere angesichts dieser Erfahrung "besondere Sensibilität", es müsse "unbedingt ausgeschlossen werden, dass Masken mit unzureichender Schutzwirkung in die Verteilung kommen". Die Warnung erfolgte genau zu dem Zeitpunkt, als die Gespräche mit Hygiene Austria für eine FFP2-Masken-Beschaffung auf Hochtouren liefen.

Viel deutet darauf hin, dass im Raum stehende Qualitätsmängel kein Hindernis für einen Zuschlag an Hygiene Austria gewesen wären. Dass die Lenzing-Palmers-Allianz dennoch leer ausging, hatte andere Gründe. Es spießte sich am Kaufpreis. Die für die Beschaffung zuständige Ministerialbeamtin hatte ziemliche Bedenken. Sie wollte sich absichern, dass die höheren Kosten von der Bundesregierung in Kauf genommen werden. Die Vorgangsweise solle noch einmal bestätigt werden, schrieb die Beamtin, "allenfalls in Abstimmung mit dem Büro des HBK", also des Herrn Bundeskanzler.

Letztlich Masken aus China

Die eindringlichen Warnungen, hohe Preisvorstellungen der Hygiene Austria und Differenzen über Qualitäts- und Prüfstandards dürften dann dazu geführt haben, dass Anschober das Geschäft mit dem Anbieter platzen ließ. Bei einem Stückpreis von 79 Cent pro FFP2-Maske wäre die Beschaffung um rund neun Millionen Euro über anderen Einkaufsmöglichkeiten gelegen. Letztlich ging der Auftrag um gut 14 Millionen Euro an die Post und die niederösterreichische KSR Group, die die Masken in China einkaufte.

Die Masken von Hygiene Austria sollten forciert werden.
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Der Eindruck, dass trotz Scheiterns des Projekts eine Bevorzugung der Hygiene Austria geplant gewesen sein könnte, wird von den Beteiligten zurückgewiesen. Ein Sprecher von Hygiene Austria betont, dass man zu diesem Zeitpunkt als einziger österreichischer Anbieter bei der BBG gelistet gewesen sei. Im Übrigen werden die oben angeführten Qualitätsmängel vom Hersteller bestritten. Das Bundeskanzleramt bestätigt zwar die ursprüngliche Intention, Schutzausrüstung aus rot-weiß-roter Produktion einzukaufen, verweist ansonsten aber auf die Zuständigkeit Anschobers.

Dessen Gesundheitsministerium verweist laut "Profil" darauf, dass man mit Hygiene Austria lediglich unverbindliche Vorgespräche geführt habe. Das Wirtschaftsministerium stellt etwaige Interventionen für Hygiene Austria in Abrede und verweist auf die Gültigkeit der CE-Zertifizierung in Ungar. Dieser Zusammenhang sei auch darin begründet, dass es zum Zeitpunkt der Maskenbeschaffung noch keine zuständige Prüfstelle in Österreich gegeben habe. (Andreas Schnauder, 5.3.2021)