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Ich habe einen Nachbarn, der es genau nimmt: Gefühlt 24/7 sitzt er bei seinem gassenseitigen Fenster – und passt auf. Seine Mission: der Schutz der Hofeinfahrt. Im Hof steht ein Auto: seines. Mein Nachbar verlässt seine Wohnung nur selten. Aber er könnte. Also muss der Weg frei sein. Immer. Dafür sorgt er mit Vehemenz und ohne Gnade: Setzt jemand zum Einparken vor der Einfahrt an, greift er zur Kamera, ruft Polizei und Parksheriffs an und urgiert die "umgehende Entfernung".

Auch wenn sein Pkw gerade noch vorbei käme: "Was, wenn ich einen Lieferwagen hätt’?" Missetäter beim Einparken mahnen? "Nö: Nur so kapieren sie es." Wird abgeschleppt, ist die Welt in Ordnung. Entkommt der Verbrecher, kommt die Anzeige. Bei der Mutter einer Nachbarin flatterte unlängst ein Zahlungsbescheid ein: Sie hatte der Tochter Essen in die K1-Quarantäne gebracht.

No-Go-Zone

Kleinlich? Ja, klar. Aber effizient – und lehrreich: Verlässlichkeit und Tempo, mit denen amtlich Nachschau gehalten, gestraft und abgeschleppt wird, sind faszinierend. Bagatellisiert oder ignoriert wird behördlich nie. Das wirkt: Für Zusteller und Lieferdienste ist die Einfahrt längst No-Go-Zone, und "ein zweites Mal steht auch kein Privater da". (Ja, Blockwarte führen Buch.)

Falls Sie sich jetzt fragen, was diese Erzählung in einer Fahrradkolumne sucht: Versuchen Sie das einmal bei zugeparkten oder verstellten Radwegen. Sie werden sich wundern. Oder: Nein, werden Sie nicht – weil Sie es eh wissen. Und genau das ist das Problem. (Thomas Rottenberg, 1.6.2021)