Das Recruiting ist nicht nur Aufgabe der Personalabteilung. Human-Resources-Manager sollten im Schulterschluss mit Führungskräften arbeiten, sagt Hermann Troger.
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In der Pandemie schlägt die Stunde der Personalmanager. Ihre Expertise ist gefragt, wenn die Belegschaft ins Homeoffice übersiedelt oder in Kurzarbeit geschickt wird. Wenn, ob der wirtschaftlichen Situation, Fachkräfte gekündigt und mit dem Aufschwung wieder gesucht werden. Oder wenn Angestellte neue Programme für das hybride Arbeiten vor Ort und im Büro lernen müssen.

Die neue Arbeitswelt, die durch Corona in vielen Unternehmen Einzug gehalten hat, braucht auch neues Personalmanagement, ist Hermann Troger überzeugt. Troger ist selbstständiger Organisationsberater und Dozent an der Uni Salzburg. Er zeigt in seinem kürzlich erschienenen Buch Human Resource Management in a Post Covid-19 World Handlungsanleitungen für die Personalarbeit auf. Mit dem Schreiben hat er vor der Pandemie begonnen, dann hätten sich viele Annahmen oder bereits bestehende Trends in der Arbeitswelt bestätigt, erzählt er im Gespräch.

Genauso bei den Bedürfnissen der Mitarbeitenden. Diese hat Troger anhand von 3648 Mitarbeiterfragebögen in 35 Firmen in Österreich und Italien mit der Beratung Businesspool ausgewertet. Am wichtigsten waren den Beschäftigen vor Corona Fairness, eine gute Atmosphäre und ein gemeinsames Ziel.

Auf Bedürfnisse eingehen

"Corona ist keine Zäsur, sondern vielmehr eine Verstärkung der sogenannten VUCA-Arbeitswelt, die volatil, komplex, widersprüchlich und unsicher ist und in der sich Prioritäten ständig verändern können." Zugrunde lägen, schreibt Troger, Herausforderungen wie der demografische Wandel und damit einhergehende Generationenkonflikte, die Digitalisierung oder der Fachkräftemangel sowie die Individualisierung – Herausforderungen, die Führungskräfte jetzt noch einmal mehr berücksichtigen müssten.

Gerade die Individualisierung sei in der aktuellen Situation besonders wichtig, betont Troger. Die "Ego-Perspektive" bedeute eine Machtverschiebung auf dem Arbeitsmarkt zugunsten der Arbeitenden und eine damit einhergehende Notwendigkeit für die Firmen, so gut wie möglich auf die Bedürfnisse künftiger und bestehender Mitarbeiter einzugehen.

Dafür müsse man sich von der Vorstellung verabschieden, dass es die Kategorie "Mitarbeiter" gibt. Selbst nach Generationen könne man Bedürfnisse nicht einteilen: Das ist in der Personalführung völlig wertlos, sagt Troger. Das habe sich auch in der Pandemie gezeigt. In allen Altersgruppen sei der Wunsch nach Sicherheit gestiegen – vorher wünschten sich das vor allem Jüngere –, aber auch bei den Arbeitgebern. "Das ist sehr wohl eine Zäsur durch Corona und zeigt, dass nun der Zeitpunkt ist, um sich im Personalmanagement neu zu orientieren."

Schulterschluss

Wie stellt sich Troger das nun vor? Er plädiert für "einen Schulterschluss zwischen direkten Vorgesetzten und der HR-Abteilung". Gerade in der Mitarbeiterbindung und -motivation sieht Troger eine Chance: "Die Leute gehen am häufigsten wegen der Führungskraft – daher ist Mitarbeiterbindung vorwiegend ein Führungsthema." Man müsse Vorgesetzte als Personalleiter sehen, die in Recruiting, Führen und Personalentwicklung mehr einbezogen werden sollen.

Für die drei Bereiche dekliniert Troger im Buch zwölf Beispiele. Etwa wenn eine neue Arbeitskraft gesucht wird, solle die direkte Vorgesetzte die Job-Description und die nötigen Kenntnisse für die Stellenanzeige schreiben, die HR setzt den Recuriting-Prozess auf, screent Social Media nach geeigneten Kandidaten, macht eine Vorauswahl. Alle weiteren Schritte werden gemeinsam getroffen.

"Die Personaler als Fach- und Methodenexperten sind weit weg vom eigentlichen Tagesgeschäft." Ihre Arbeit werde damit aber nicht untergraben, betont Troger: "Personalmanager wollen seit jeher strategischer Businesspartner für Unternehmen sein. Jetzt ist ihre große Chance, aber sie benötigen Partner, die nahe am Mitarbeiter sind, um den Wandel in der Arbeitswelt mit all seinen individuellen Bedürfnissen meistern zu können." (set, 27.8.2021)