Zu Beginn der Corona-Krise zögerte die Europäische Zentralbank (EZB) nicht, die Geldschleusen weit zu öffnen, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Nun wächst die Wirtschaft wieder, die Inflationsraten steigen weit über die Zielmarke von zwei Prozent – aber EZB-Chefin Christine Lagarde spielt auf Zeit.

EZB-Chefin Christine Lagarde spielt auf Zeit.
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Wohl zu Recht, denn es ist heikel, nach einer Krise die geldpolitischen Zügel wieder zu straffen. Der Schwenk darf nicht zu früh erfolgen, wie die EZB aus eigener Erfahrung nur allzu gut weiß. Unter dem damaligen Präsidenten Jean-Claude Trichet erhöhte sie 2011, also während der europäischen Schuldenkrise, den Leitzins in zwei Schritten von ein auf 1,5 Prozent, um vermeintlichem Inflationsdruck zu begegnen. Diese bisher letzten Zinsanhebungen der EZB erwiesen sich rasch als veritabler Fehltritt und wurden rückgängig gemacht.

In weiterer Folge sank der Leitzins bis 2016 auf null Prozent. Zudem wurde über massive Wertpapierankaufprogramme Inflationsdruck aufgebaut. Nun liegt der Anstieg der Verbraucherpreise wieder über dem Inflationsziel, gleichzeitig verliert die Erholung nach der Corona-Krise an Dynamik. Bei dieser Gemengelage wird es ein Drahtseilakt für Lagarde, die Geldschleusen zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Tempo zu schließen. Zumal sie auch für günstige Finanzierungsbedingungen der hochverschuldeten Euroländer sorgen soll. (Alexander Hahn, 28.10.2021)