Auch wenn die Blauracke neben ihrem farbenprächtigen Federkleid eher durch Rufe als Gesang auf sich aufmerksam macht: Ihr Rückgang demonstriert, dass die Biodiversität auch bei Vögeln zurückgeht. Das hat auch Auswirkungen auf die akustische Kulisse.
Foto: BirdLife / Michael Tiefenbach

Die Artenvielfalt befindet sich hierzulande auf dem absteigenden Ast. Ein großes Problem ist dabei das Verschwinden von Arten, die wichtige Rollen in Ökosystemen spielen. Rollen, die Fachleute der Zoologie, Botanik, Mikrobiologie und Ökologie teils nicht einmal genau genug kennen, um exakt vorherzusagen, was ihr Verlust für ihre Umwelt bedeutet.

Der Verlust an Vogelarten hat auch folgenden Effekt: Die Soundkulisse, die Vögel auf dem Land und in der Stadt durch Zwitschern, Schnattern, Kreischen und Klappern erschaffen, wird in Europa und Nordamerika immer trostloser. Heißt: gleichförmiger und leiser. Das konnte ein internationales Forschungsteam feststellen. Das beeinflusst auch Menschen, denn Vogelgezwitscher stimmt uns in den meisten Fällen ausgeglichen, heiter und zufrieden.

Im Vergleich zu den Schäden für Ökosysteme, die aus dem lange etablierten Gleichgewicht geraten könnten, klingt das natürlich eher wie ein Luxusproblem. Wenn uns nur das Hintergrundzwitschern fehlt, könnten wir uns das auch über Videoplattformen holen, entsprechende Apps gibt es vermutlich auch schon.

Schwindendes Bewusstsein für Umweltprobleme

Wie effektiv dies im Vergleich zu echten Naturgeräuschen ist, die durch Singvögel, rauschende Bäume und gluckernde Bäche verursacht werden, ist allerdings fraglich. Diese tragen zu Gesundheit, kognitiven Fähigkeiten und Wohlbefinden bei – und sie können dafür sorgen, dass Menschen selbst in Städten einen Kontakt mit Tier- und Pflanzenwelt behalten. Das Forschungsteam weist darauf hin, dass die zurückgehenden "Naturerfahrungen" auch dazu führen, dass Menschen sich zunehmend vom Rest der Natur abgekoppelt wahrnehmen. Darunter kann auch das Bewusstsein für Umweltprobleme leiden – von den großen globalen Themen des Biodiversitätsverlusts und der Klimakrise bis hin zu Veränderungen, die eher spezifisch für einzelne Regionen sind.

In der Studie, die von Simon Butler an der University of East Anglia in Norwich (Großbritannien) geleitet wurde, untersuchte das Team Tonaufnahmen von Vogelgesang und Berichte von Vogelsichtungen. Diese entstammten Citizen-Science-Projekten, an denen interessierte Laien aus der Bevölkerung beteiligt waren und Daten sammelten. Die Aufnahmen und Berichte stammen von 200.000 Standorten in 22 Ländern in Europa inklusive Österreich, aus den USA und Kanada. Beteiligt waren an der Studie unter anderem Benjamin Seaman und Norbert Teufelbauer von Birdlife Austria.

Hilfe durch Naturschutzmaßnahmen

Das Forschungsteam erstellte daraus "Vogelgesangs-Klanglandschaften" der vergangenen 25 Jahre an den jeweiligen Orten. Fast überall nahm die Lautstärke der Vogellaute mit der Zeit ab, und sie wurden immer weniger variantenreich, schreiben die Fachleute im Magazin "Nature Communications". Grund dafür sei, dass der Artenreichtum der Vögel sukzessive abnahm und die einzelnen Vogelpopulationen schrumpften.

Der Verlust ist nicht unwiderruflich – immerhin tragen Menschen selbst zum Vogelschwund bei, etwa durch hochintensive Landwirtschaft. Entsprechend könne man auch den Verfall der "natürlichen Klanglandschaften" stoppen, schreibt die Forschungsgruppe. Naturschutzmaßnahmen sollen dabei helfen, die Tiere zu schützen und weniger Stress auszusetzen. (sic, APA, 2.11.2021)