Der Weißstorch zählt zu den heimischen Winterauswanderern. Sein großteils weißes Federkleid verschafft ihm einen gewissen Kühlungseffekt.
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Federn können viel verraten. Zu den überraschendsten Erkenntnissen im Stammbaum von Hühnern und Co. zählt freilich, dass auch viele Saurier vermutlich gefiedert waren – in manchen Fällen lassen sich sogar Rückschlüsse auf gestreifte Muster ziehen. Aber auch die gefiederte Ausstattung lebender Tiere ist aufschlussreich, sogar im Hinblick auf ihr Reiseverhalten. Vor ein paar Jahren gelang es beispielsweise, abgeworfene Federn von Pinguinen chemisch zu analysieren und daraus ihre genaue Migrationsroute zu rekonstruieren. Ähnliches wurde auch für ein längst verstorbenes Mammut unternommen – in diesem Fall natürlich ohne Federn.

Jetzt schreibt ein Forschungsteam im Fachblatt "Current Biology", dass die Federfarbe – oder besser: die Helligkeit der Federn – mit dem Migrationsverhalten von Vögeln zusammenhängt. Kaspar Delhey vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen (Bayern) setzte sich bereits zuvor mit Gefiederfärbungen auseinander: Er konnte anhand von 6000 Singvogelarten die biologische Regel bestätigen, dass feuchte und kühle Verhältnisse evolutionäre Trends zu dunklem Gefieder begünstigen.

Physikalischer Kühlungseffekt

Das Gegenteil lässt sich um Durchschnitt bei Vögeln beobachten, die lange Strecken zurücklegen, also saisonal auswandern, sagt Delhey: "Wir haben hinsichtlich fast aller Vogelarten festgestellt, dass Zugvögel tendenziell heller gefärbt sind als Nicht-Zugvögel."

Kümmert sich weniger um Trends: der Mauersegler, der sein Winterquartier meist südlich des Äquators in Afrika aufschlägt.
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Da auch in heißen Gegenden mit wenig Schatten eher helle Vögel vorkommen, scheint es plausibel, dass die hellen Federn einen Kühlungseffekt bewirken. Helle Oberflächen absorbieren weniger Hitze als dunkle – das machen sich auch Menschen von der Architektur warmer Gebiete bis zur sommerlichen Kleiderwahl zunutze.

Die dunkle Seite der Langstreckenflieger

Dieser Effekt dürfte auch bei Zugvögeln eine wichtige Rolle spielen: Ein helles Federkleid reduziert das Risiko einer Überhitzung, wenn die Tiere dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, sagt Delhey: "Dies ist besonders wichtig für Langstreckenzieher, die ausgedehnte Flüge unternehmen, während derer sie nicht pausieren, um sich im Schatten auszuruhen." Das bedeutet natürlich nicht, dass alle von ihnen hell gefärbt sind: Neben dem Weißstorch auf der hellen Seite gibt es hierzulande auf der dunklen Seite der Langstreckenflieger etwa den Mauersegler. Es hat eben nicht nur die Reisedauer einen Einfluss auf die Fellfarbe.

Studien weisen darauf hin, dass Zugvögel tagsüber in wesentlich höheren Lagen fliegen als in der Nacht. Eine Erklärungsmöglichkeit dafür ist, dass es weiter oben zumeist kühler ist und so bei Sonnenschein das Aufheizen des Federkleids kompensiert wird. Einen Vorteil sollte dabei aber auch eine von Vornherein hellere Farbe liefern – und diese Korrelation konnte das Forschungsteam nun bestätigen: Kurzstreckenflieger sind tendenziell dunkler.

Im Höhenflug

Dazu ordnete das Team Vogelarten auf einer Skala von 0 (schwarz) bis 100 (weiß) einen durchschnittlichen Helligkeitsgrad zu und berücksichtigte bei der Arbeit andere Gefieder-Einflussfaktoren. Für Delhey war der Effekt überraschend einheitlich: Kleine wie große Vögel sind davon betroffen, Wasser- und an Land lebende Vögel.

Auch Watvögel wie der Sanderling passen in die Korrelation der hellgefiederten Langstreckenzieher.
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Klarerweise handelt es sich bei der Farbgebung nur um eine Möglichkeit der Tiere, ein Überhitzen zu vermeiden. Geplant ist, die Zusammenhänge zwischen Migration, Klima und anderen Einflussfaktoren genauer zu erforschen. Aufgrund der Klimawandelprognosen, die vor allem auf Dürre und Erhitzung hindeuten, lautet Delheys Vermutung: Federfarben dürften künftig generell stärker zu hellen Tönen tendieren, um damit steigende Temperaturen auszugleichen.

Im Lichte des Klimawandels

Eine These, die nicht von allen vertreten wird: Andere Arbeiten stützen sich eher auf die Glogersche Regel aus dem 19. Jahrhundert, die ursprünglich auf Vogelfedern angewandt, aber auch auf menschliche Ethnien übertragen wurde. Ihr zufolge entwickelt sich in feuchtwarmen Gebieten eher dunkles Gefieder oder dunkle Haut, um diese vor Bakterien beziehungsweise vor UV-Strahlung zu schützen.

In welche Richtung auch immer der Trend geht: Ob sich der Selektionsdruck bei Vögeln und anderen Tieren aber schnell genug auswirken wird, um die Klimaveränderungen zumindest teilweise zu kompensieren, ist fraglich. Die Erwärmung schreitet wesentlich rascher voran als in vielen anderen Phasen der Erdgeschichte. (sic, 6.12.2021)