Unter anderem sollen Social-Media-Plattformen wie Facebook neuen Regeln unterworfen werden.

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Ein gemeinsamer Kinoabend steht vor der Tür, die Vorfreude ist groß – doch weil ein Freund Whatsapp, der andere Signal und der der dritte Telegram verwendet, muss in den drei unterschiedlichen Messengern die gleiche Nachricht jeweils separat geposted werden. Denn die Anbieter sitzen auf ihren Systemen und den damit verbundenen Userdaten und weigern sich, mit der Konkurrenz zu kooperieren – nur ein Beispiel dafür, wie sehr US-Konzerne unseren Alltag bestimmen. Und Grund genug für viele Expertinnen und Experten, klare Spielregeln zu fordern, die sich auch anderen Themen wie zielgerichteter Werbung, Fake News und Hassrede widmen.

Mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) der Europäischen Union dürften diese geforderten Spielregeln bald Wirklichkeit werden. Nachdem sich das EU-Parlament am Mittwoch auf eine Position zur Regulierung digitaler Märkte geeinigt hat, können die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten über die finale Ausgestaltung des Gesetzes beginnen. Einem Kompromiss für den DSA stimmten die ständigen Vertreter letzterer schon im November zu.

Nach aktuellem Stand sollen die Gesetze einerseits die Marktmacht von Onlineriesen einschränken, damit kleinere Unternehmen konkurrenzfähig werden. Andererseits würden sogenannte Gatekeeper – also Plattformen, deren Nutzerzahlen zehn Prozent der EU-Bevölkerung übersteigen – zu einem härteren und klaren Umgang mit Falschinformationen und illegalen Inhalten auf ihren Seiten verpflichtet werden.

Der DMA im Detail

Aber wie sehen die geplanten Regulierungen im Detail aus? Grundsätzlich sieht der Digital Markets Act vor, dass sich Gatekeeper der Konkurrenz öffnen müssen. Das beinhaltet unter anderem ein Verbot unfairer Geschäftspraktiken, mit denen eigene Produkte gegenüber der Konkurrenz bevorzugt werden, berichtete DER STANDARD. Zum Beispiel wäre es Geräteherstellern nicht mehr möglich, das Löschen vorinstallierter Software zu verhindern oder eigene Produkte in Suchergebnissen zu bevorzugen.

Außerdem werden Gatekeeper zur Gewährleistung einer sogenannten Interoperabilität verpflichtet. Heißt: Große Messengerdienste müssen ihren Nutzern die Kommunikation mit der Konkurrenz ermöglichen. Whatsapp-User dürften dann also Nachrichten über App-Grenzen hinaus zum Beispiel an Telegram- oder Signal-Nutzer verschicken.

Ein wichtiger Vorschlag betrifft außerdem den Umgang mit personenbezogenen Daten. Werbung auf Basis gesammelter Nutzerdaten – was unter anderem das Kerngeschäft von Facebook darstellt – soll nur noch nach ausdrücklicher Zustimmung betroffener Personen erlaubt sein.

Bei Verstößen droht Internetkonzernen laut Gesetzesentwurf eine Strafe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes, das EU-Parlament fordert sogar 20 Prozent. Neu ist diesbezüglich der Versuch der EU-Kommission, eine Ex-ante-Regulierung einzuführen. Mit dieser soll bereits vorab festgelegt werden, was verboten ist. Im Falle von Regelbrüchen könnte es somit sofort zu Strafen kommen. Bisher müssen Sanktionen rückwirkend verhängt werden.

Der DSA im Detail

Wie der Name bereits nahelegt, zielt der DMA mittels wettbewerbsrechtlicher Regulierungen also primär auf die Verhinderung einer Monopolbildung großer Internetkonzerne ab. Mittels des Digital Services Act will die EU unterdessen gesellschaftliche Probleme wie Hassrede in sozialen Medien wie Facebook und Betrug auf E-Commerce-Plattformen wie Amazon angehen.

Die größten Internetkonzerne sollen laut diesem zu einer verstärkten Transparenz gegenüber einer eigens eingerichteten Behörde verpflichtet werden, weshalb unter anderem eine Offenlegung der Empfehlungsalgorithmen geplant ist. Forschende sollen außerdem Zugang zu Schlüsseldaten der größten Plattformen erhalten, um die Entstehung von Onlinerisiken nachvollziehen zu können.

Damit einher gehen neue Vorgaben zur Moderation. Derzeit obliegt es den Plattformen selbst, welche Inhalte sie löschen und welche nicht. Nach welchen Kriterien das passiert, ist von außen nicht nachvollziehbar. Der DSA sieht in aktueller Form deshalb vor, dass Nutzer über die Entfernung von Inhalten informiert werden müssen – und sie anfechten können. Dafür würden Streitbeilegungsmechanismen in den einzelnen EU-Staaten etabliert werden.

Hassrede und illegale Inhalte

Hinsichtlich der Löschung von Hassrede wird der Digital Services Act zumindest teilweise nationale Gesetze wie das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Netz-DG) und das österreichische Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) ablösen. Diese verpflichten große Social-Media-Plattformen schon jetzt zur raschen Löschung illegaler Inhalte.

Eine EU-weit einheitliche Gesetzeslage könnte unter anderem auch die Regulierung des häufig kritisierten Messengerdiensts Telegram erleichtern, der laut Netz-DG und KoPl-G nicht klar als soziales Netzwerk, sondern als Messenger wie Whatsapp und Signal eingeordnet wird – obwohl es sich aufgrund der Möglichkeit, öffentliche Gruppen mit teils hunderttausenden Mitgliedern zu erstellen, eigentlich um einen Hybrid-Service handelt. Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie versammeln sich dort Impfgegner und Verschwörungsgläubige, um Moderation zu entfliehen.

Transparente Werbung und Schutz vor Betrug

Wie bereits erwähnt, sieht der DMA vor, dass man personenbezogener Werbung künftig ausdrücklich zustimmen muss. Darüber hinaus soll diese außerdem erheblich transparenter werden, indem Nutzer darüber informiert werden, wer eine Anzeige finanziert hat und warum sie mit ebendieser angesprochen werden.

Nicht zuletzt nimmt der DSA auch einflussreiche Verkaufsplattformen wie Amazon in die Pflicht, das neben dem Direktverkauf von Waren auch einen Marktplatz für Drittanbieter betreibt. Der Shoppingriese müsste demnach sicherstellen, dass keine gefälschten Produkte über den digitalen Tresen wandern und Unternehmen im Falle eines Verstoßes nachverfolgbar sind.

Ausblick

Das Gesetzespaket der EU sieht demnach eine umfassende Neuregelung der digitalen Welt vor, die unter Berücksichtigung aller Entwicklungen der letzten Jahre an aktuelle Gegebenheiten angepasst wurde. Mit der flexiblen Definition von Gatekeepern soll außerdem sichergestellt werden, dass DSA und DMA auch mit technologischen Entwicklungen oder dem Aufkommen neuer Tech-Konzerne mithalten können.

Die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten im EU-Rat sollen laut der Nachrichtenplattform "EU Reporter" möglicherweise schon in der ersten Hälfte des kommenden Jahres beginnen. Ob es dabei zu einer Veränderung der geplanten Maßnahmen kommen wird, bleibt abzuwarten. Dennoch könnte eine finale Version der beiden Gesetze früher verabschiedet werden als erwartet. (Mickey Manakas, 17.12.2021)