Grasland und Jungwald in Brasilien. Wurden Gebiete, auf denen einst tropische Wälder standen, nicht übermäßig landwirtschaftlich genutzt, kann die Natur dort wieder relativ rasch Wurzeln schlagen.
Foto: Rens Brouwer

Wo einst tropische Wälder landwirtschaftlichen Nutzflächen weichen mussten, könnte die ungezähmte Natur relativ rasch wieder zurückkehren. Nach rund 20 Jahren können viele Pflanzen in Mittel- und Südamerika sowie in Westafrika wieder ähnlich gut gedeihen wie vor der Rodung, berichtete eine Forschergruppe im Fachblatt "Science". Bis sich dort jedoch wieder eine ähnliche Artenvielfalt findet und soviel Biomasse gespeichert wird wie ursprünglich, vergehen aber rund 120 Jahre.

Der Trend der Umwandlung von tropischen Wäldern in Flächen zum Anbau von Feldfrüchten oder zur Haltung von Nutztieren hat weltweit in den vergangenen Jahrzehnten ein alarmierendes Ausmaß angenommen. Gleichzeitig zeige sich, dass die Natur da und dort imstande ist, solche Gebiete auch wieder zurückzuerobern, schreibt ein Forschungsteam unter der Leitung von Lourens Poorter von der Wageningen University (Niederlande), dem auch österreichische Wissenschafter angehörten.

Eingeschränkte Widerstandsfähigkeit

Die Forscher sahen sich in ihrer Analyse an, wie dieser Prozess an insgesamt 77 Orten vonstattengeht und welche Konsequenzen das künftig haben könnte. Je nach den Ausgangsbedingungen präsentieren sich solche Wälder als durchaus widerstandsfähig oder resilient, wie es die Wissenschafter ausdrücken – allerdings mit Einschränkungen.

So fanden die Forscher heraus, dass die Beschaffenheit des Bodens und der Nährstoffgehalt in tieferen Erdschichten durch eine nicht zu intensive Bewirtschaftung durch den Menschen offenbar in vielen Fällen nicht so stark beeinträchtigt war. Nach rund zehn Jahren würden vielerorts frühere Werte wieder erreicht. Das könne auch damit zusammenhängen, dass Pflanzen, die solche Flächen wieder als erste in Besitz nehmen (Pionierpflanzen) viel Laub produzieren und dazu tendieren, rasch mitunter tiefe Wurzeln zu schlagen. Relativ schnell würden sich in der Folge auch Pflanzen dazugesellen, die sich auf den Flächen dann länger halten.

Grafik: In welcher Zeit sich der tropische Wald regeneriert.
Illustr.: www.2ndfor.org

Über hundert Jahre

Etwas länger braucht es aber bis die Waldstruktur und die Artenvielfalt wieder an das alte Niveau heranreichen. Die Forscher kamen hier auf 25 bis 60 Jahre. Bis sich dann aber auch annähernd so viel Biomasse oberhalb des Bodens und die in etwa gleiche Artenzusammensetzung, wie vor der agrarischen Nutzung, dort findet, benötigen die Ökosysteme eher um die 120 Jahre. Schaffen Jungwälder rasch wieder ein Comeback, braucht es natürlich einige Zeit, bis später stattliche Bäume beispielsweise wieder viel Totholz liefern.

Das in manchen Bereichen für die Wissenschafter überraschend schnelle Comeback der Natur auf vielen untersuchten Gebieten zeige, dass sogenannte Sekundärwälder mehr Beachtung finden sollten. Sie seien eine günstige und natürliche Lösung, um Ökosysteme wieder herzustellen, den Klimawandel abzufedern und die Artenvielfalt zu erhalten, schreiben sie in der Arbeit, an der auch Florian Oberleitner von Department für Ökologie der Universität Innsbruck und Peter Hietz vom Institut für Botanik an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien beteiligt waren.

Tropische Regenwälder nicht für immer verloren

Es gebe jedoch "kein Wundermittel" für die Wiederherstellung solcher Wälder, so Oberleitner: "Die optimale Lösung hängt von den örtlichen Bedingungen, der Bevölkerung und ihren Bedürfnissen ab. Auch müssen alte Wälder weiterhin dringend geschützt werden, da sie zum Beispiel den nachwachsenden Wald mit Samen versorgen und der Lebensraum vieler einzigartiger Pflanzen- und Tierarten sind."

Oberleitner und Hietz analysierten im Rahmen der Publikation Wälder in Costa Rica. Für letzteren ist es "noch immer eine verbreitete Vorstellung, dass tropische Regenwälder für immer verloren sind, wenn die Bäume einmal gefällt sind. Die publizierte Arbeit zeigt klar, dass das so nicht stimmt und in den meisten Fällen die Regeneration erstaunlich schnell ablaufen kann".

In Costa Rica habe man etwa beobachtet, dass das Wald-Comeback "von der Art der Nutzung und dem Boden abhängt. Wenn wir das besser verstehen, könnte man Wälder, die sich besonders schlecht regenerieren, stärker schützen oder auch die Regeneration durch gezielte Maßnahmen fördern", so der Wissenschafter. (red, APA, 7.1.2022)