Dem Medienmacher Wolfgang Fellner werfen mehrere Ex-Mitarbeiterinnen sexuelle Belästigung vor. Ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten will ihn entlasten.

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Medienmacher Wolfgang Fellner hatte es im vergangenen Jahr nicht leicht: Kaum eine Woche verging, in der er nicht wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung mehrerer Ex-Mitarbeiterinnen oder als Beschuldigter in der ÖVP-Inseratenaffäre in den Medien genannt wurde.

Das habe auf sein Gemüt geschlagen, argumentiert Fellners Anwalt Georg Zanger in einem Schriftsatz von Anfang Jänner. Sein Mandant sei damals ein "durch die Medien Gehetzter und vor sich Hergetriebener" gewesen, so sei auch das Urteil von Mitte November zu werten. Fellner wurde damals wegen übler Nachrede strafrechtlich verurteilt, nachdem er sich schuldig bekannt hatte. Kurz danach meldete er volle Berufung an. Entgegen seinen Ankündigungen bekämpft er das Urteil in der aktuellen Berufungsschrift allerdings nur der Höhe nach: Statt der nicht rechtskräftig ausgesprochenen 120 Tagessätze plädiert Fellner für 50.

25-Stunden-Frist zu wenig

Fellner hatte im STANDARD behauptet, die Belästigungsvorwürfe seiner Ex-Mitarbeiterin Katia Wagner seien "frei erfunden". Wagner konnte sie jedoch mittels Tonaufnahmen vor Gericht beweisen. Sein Anwalt schreibt, Fellner habe "überschießend" und "impulsiv" geantwortet, als ihn DER STANDARD im vergangenen Mai schriftlich um eine Stellungnahme zu Wagners Vorwürfen gebeten hatte.

Für den Zeitungsmacher sei die Frist zu eng gesetzt gewesen, schreibt Zanger. So heißt es in der Berufung: "Dass der Angeklagte [Fellner, Anm.] aufgrund dieses enormen Zeitdrucks und des durch die drohende Veröffentlichung erwartbaren medialen Hypes impulsiv handelte und nicht jedes Wort und dessen Auswirkungen durchdenken konnte, liegt auf der Hand." Ein Blick ins E-Mail-Archiv zeigt: Die Anfrage mit einer 25-Stunden-Frist erreichte Fellner am 24. Mai kurz vor 11 Uhr. Fellner antwortete am darauffolgenden Tag kurz vor Mittag – schriftlich. Fellner wiederholte seine Feststellung, Wagners Vorwürfe seien frei erfunden, bis zuletzt auch vor Gericht.

BDO-Bericht vorgelegt

In der Berufungsschrift hält Anwalt Zanger das mit den Tonaufnahmen Wagners vorgelegte Transkript für "manipulativ verkürzt". Er und Fellners zweite Anwältin Kristina Venturini hatten das Transkript allerdings im Verfahren akzeptiert und somit verhindert, dass die Tonaufnahmen im Gerichtssaal abgespielt werden mussten.

Erstmals legt Fellner in der Berufung die von ihm in Auftrag gegebene Compliance-Analyse der Wirtschaftskanzlei BDO vor. Bereits in anderen Verfahren und in seiner Zeitung hat Fellner das Ergebnis der Analyse als Beweis dafür genannt, dass er nie eine Mitarbeiterin sexuell belästigt habe. Das Dokument hatte er bisher weder dem Gericht noch auf Anfrage des STANDARD zur Verfügung gestellt.

Tatsächlich heißt es in der Analyse, dass "keine Wahrnehmungen" zu sexueller Belästigung durch Fellner in seiner Firma festgestellt werden konnten. Zudem gebe es ein hohes Bewusstsein zum Thema sexuelle Belästigung in der Mediengruppe Österreich. Befragt wurden dafür 23 Personen aus der Firma, Hinweise konnten zudem direkt und anonym an BDO weitergeleitet werden. Das sei nicht geschehen.

Viele Fragen

Das Analyseergebnis wirft Fragen auf, zumal bereits bekannte Beschwerden wegen sexueller Belästigung durch Fellner nicht gewürdigt wurden. Etwa jene Beschwerde einer ehemaligen Moderatorin, die eine Programmdirektorin in ihrer eidesstattlichen Erklärung festhielt. Fellner gab diese Erklärung selbst zu jenem Akt, den auch BDO gesichtet haben will. Ebenso wenig wurden Vorwürfe geprüft, die ein Ex-Betriebsrat vor Gericht in den Raum gestellt hatte.

BDO entschied sich, erst ab September 2016 zu prüfen, obwohl bereits zu Prüfbeginn medial bekannt war, dass die Vorwürfe Wagners das Jahr 2015 betreffen. Ebenso wenig wurden die Vorwürfe der Ex-Radiomoderatorin Angela Alexa aus dem Jahr 2017 in der Prüfung berücksichtigt. Mit Verweis auf die eigene Verschwiegenheitspflicht wies BDO alle Nachfragen zu dem Bericht ab. (Laurin Lorenz, 13.1.2022)