Gendergerecht statt selbstgerecht: Thomas Maurer bei der Premiere von "Zeitgenosse aus Leidenschaft" im Wiener Stadtsaal.

Foto: Ernesto Gelles

Im vergangenen Jahr machte er mit Kritik an der schleppenden Impfstoffverteilung auf sich aufmerksam, jetzt hat Thomas Maurer ein neues Kabarettprogramm vorgelegt. Durchaus angenehm: Corona kommt darin nur noch indirekt zur Sprache, und zwar an der Stelle, an der Parallelen zwischen Andreas Hofer und den Taliban gezogen werden: Beide bärtig, beide mit mächtiger Kopfbedeckung, beide religiös-politisch motiviert, beide rabiate Impfgegner – Maurer erinnert höchst amüsant daran, dass die Pockenimpfung einst die Tiroler Schützen zum Aufstand gegen die bayerische "Schutzmacht" anfachte.

Genüsslich bohrt Maurer, das Tirolerische parodierend, in den Wunden der Älpler, ohne dabei ins platte Tirol-Bashing zu kippen. Überhaupt wahrt Thomas Maurer in diesem mit Zeitgenosse aus Leidenschaft betitelten Solo, präsentiert im Wiener Stadtsaal, bei hochemotionalen Themen die Balance auf dem Drahtseil. So spricht er bereits eingangs sein "nicht sehr diverses Publikum von Bioösterreichern", wie er ganz offen bekundet, nach allen Regeln der aktuellen Gendersprachenkunst an. Das richtet sich dann also nicht nur an die sehr geehrten Damen und Herren, sondern auch an alle Trans-, Inter- und nonbinären Personen.

Gendern als Selbstverständlichkeit

Was anfänglich noch als wegwerfende Geste nach dem Motto "Die spinnen, die Römer*innen" gedeutet werden kann, wird im Laufe des Programms immer mehr zur Selbstverständlichkeit. Ja, Maurer gendert seinen Vortrag letztlich tatsächlich konsequent durch, ohne das Thema der Lächerlichkeit preiszugeben. Schließlich merkt er, der sich im Programm als klassischer Boomer-Bobo und "alter weißer Gutmenschensack" präsentiert, ja auch an seinen eigenen Kindern, dass da eine junge Generation heranwächst, die sich als "woke" (erwacht) versteht und bei Political Correctness keine Kompromisse mehr macht.

Es ist schon eine Leistung, dass hier der Vortrag nie ins Gehässige kippt und trotzdem noch herzlich gelacht werden kann. Vom eigenen Geständnis, beim Sternsingen in den 1970er-Jahren sich des Blackfacing schuldig gemacht zu haben, kommt Maurer dann zum Thema Nikotinsucht, die bei ihm ursächlich vom Ministrieren in der katholischen Kirche herrührt bzw. kurz danach voll durchgebrochen ist: "Ich habe Jesus für Philip Morris verraten." Zwischendrin geht es auch immer wieder um die aztekische Kunst des Menschenopfers, Aderlass und Mumienpulver als Alternative zu Globuli werden auch empfohlen.

Kurz und bündig nur streift Maurer die Innenpolitik. Stärker beschäftigt ihn die Frage, wie viel schlechtes Gewissen man beim Versuch, ethisch zu leben, wohl aushalten kann, ohne das geliebte Leberkässemmerl komplett zu verschmähen. Und wie auch schon in den letzten Programmen treiben den Science-Fiction-Fan die Größenwahnauswüchse der Silicon-Valley-Milliardäre um, wozu er die provokante Frage stellt, ob vielleicht doch sie es sein könnten, die uns am Ende vor dem Klimawandel retten (siehe auch Don’t Look Up auf Netflix).

Klasse ist, wie Maurer komplexe Dinge oft mit einem einzigen Satz verknüpfen kann: "Gegenderte Sätze sind wie Windkraftparks: Nicht schön anzusehen, aber ganz ohne wird es auf Dauer auch nicht gehen." (Stefan Weiss, 12.1.2022)