Foto: imago images/Sabine Gudath

PRO: Peinliche Showpolitik

von Markus Rohrhofer

Es war ein Verzweiflungsakt, geboren aus der Not heraus, da man der im Dezember anrollenden Omikron-Welle nichts Adäquates entgegenzusetzen wusste. Da hat der scheinbar listige Gecko tief in die Trickkiste gegriffen und die 22-Uhr-Sperrstunde aus dem Hut gezaubert.

Es ist eine der sinnbefreitesten Maßnahmen – in starker Konkurrenz dazu natürlich die 2G-Kontrollen im Handel – der gesamten Pandemiezeit. Warum gerade 22 Uhr? Weil das Virus eher nachtaktiv ist und um 21 Uhr noch wenig Lust auf Ansteckung verspürt? Oder nach 22 Uhr schlagartig das kollektive Schmusen in den Lokalen einsetzt? Letztlich ist die Grundlage dafür reine Willkür – peinliche Showpolitik abseits jeglicher epidemiologischen Grundlage.

Man drängt die Menschen ohne Not aus einem relativ sicheren Bereich hinaus. Dort, wo Masken abseits vom Tisch Pflicht sind, ein 2G-Nachweis erbracht werden muss und eine Registrierung erfolgt, sperrt man wie beim Kinderfasching abends den Zapfhahn und schürt so die Privatpartylaune.

Die Politik muss jetzt den Mut haben und spätestens mit dem Erreichen der Omikron-Spitze die Regelung im nächsten Sektkübel versenken. Allein mit Blick auf die Semesterferien droht sonst der touristische Super-GAU. "Sperrstund is, jo irgendeinmal macht jedes Lokal a bissal zu", verlautbarte schon Hans Moser. Aber bitte künftig ab null Uhr. Oder frei nach Goethe: Ergo bibamus – also lasst uns trinken. (Markus Rohrhofer, 28.1.2022)

KONTRA: Spaßbremse Virus

von Oona Kroisleitner

Eigentlich ist es ja noch gar keine Uhrzeit zum Nachhausegehen, der Abend hat eben erst begonnen, gerade hat man gegessen, und schon wird die letzte Runde eingeläutet. Sperrstund is – und das bereits um 22 Uhr. Das ärgert, besonders wenn man gerade bei einem Achterl sitzt und einem der Spaß verdorben wird.

Gleichzeitig ist es ein Weckruf; eine Erinnerung, dass noch nicht alles so ist wie früher. Die Gefahr, die Corona und momentan die besonders ansteckende Variante Omikron mit sich bringen, ist nicht gebannt. Fast 40.000 Neuinfektionen pro Tag können nicht so einfach weggetrunken werden.

Gerade in der Gastronomie ist das Risiko, sich mit dem Virus anzustecken, höher als beispielsweise im Handel. Beim Shopping trägt man durchgehend FFP2-Maske, schützt damit nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen. Im Beisl ist das ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Virus wird zwar nicht erst um 22 Uhr plötzlich aktiver, als es vorher war, durchaus aber die Gäste: Man rückt herum, tauscht Sitzplätze, kommt sich näher – nicht nur weil die Musik lauter wird. Und man vergisst fast, dass trotz 2G und sogar trotz eines zusätzlichen Tests niemand ganz sicher vor einer Ansteckung und den Folgen ist. Stichwort: Long Covid. Ja, die Belegung der Spitäler ist geringer als in den vorangegangenen Wellen. Pech kann man aber immer haben. (Oona Kroisleitner, 28.1.2022)