Das Institut für Höhere Studien (IHS) und der Wissenschaftsrat wollten es genau wissen: Wie international sind heimische Hochschulen?

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Österreich an der Spitze – noch vor Deutschland: Im europäischen Vergleich ist die Alpenrepublik mit einem Anteil von rund einem Fünftel das Land mit den zweitmeisten internationalen Studierenden Europas. Nur Zypern läuft Österreich in diesem Feld den Rang ab.

Woran liegt das? Mögliche Antworten finden sich in der im Jänner 2022 erschienenen Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS), die im Auftrag des Wissenschaftsrats erstellt wurde. Schon auf den ersten Blick zeigen die Daten klar auf, wo der Löwenanteil der "incoming students" herkommt: aus unserem Nachbarland Deutschland. So weit nicht überraschend.

Nimmt man jedoch die deutschen Studierenden aus dieser Rechnung heraus, liegt Österreich im Ranking unter dem EU-Durchschnitt. Internationale Studierende in FHs machen dann nur zehn Prozent aus (Stand Wintersemester 20/21). Der Wissenschaftsrat erkennt hier gute Chancen: "Viele der nichtwesteuropäischen Studierenden kommen mit dem Ziel nach Österreich, ein Studium in einem der Mint-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) abzuschließen. Und gerade in diesen Fächern haben wir immensen Bedarf."

Außereuropäischer Zuzug wäre deshalb von Vorteil. Bisher ist dies jedoch mehr Wunsch als Wirklichkeit. Leokadia Grolmus, ÖH-Vorsitzende des FH Campus Wien, erklärt: "Selektive Mechanismen bei Bewerbungsprozessen können besonders Menschen aus Drittstaaten benachteiligen." Sie nennt als Beispiel einen Aufnahmetest: 150 Seiten lesen und darauf aufbauend unter Zeitdruck Fragen beantworten – ohne sehr gute Deutschkenntnisse sei das so gut wie unmöglich.

Abbruchquoten

Ist die Aufnahmehürde geschafft, entpuppt sich auch das Studium nicht als Spaziergang für Studierende aus Drittstaaten. Die Daten der Studie des IHS zeigen: Je weiter das Herkunftsland entfernt ist, desto höher sind die Abbruchquoten. Aus der Erfahrung von Beratungen Studierender aus Drittstaaten berichtet Leokadia Grolmus, dass vor allem die hohen Kosten der Studiengebühren (variierend je nach Hochschule zwischen 726,72 und mehreren Tausend Euro pro Semester im Bereich Privatunis), ein kompliziertes Beihilfesystem, limitierte Zusatzverdienstmöglichkeiten und die tägliche Herausforderung, akademisches Deutsch zu verwenden, den Studienverlauf erschweren.

Um die sprachlichen Barrieren abzubauen, empfiehlt der Wissenschaftsrat zum einen englische Kursangebote auszubauen, zum anderen aber auch die Studierenden beim Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen. Bisher bieten vier FHs mehr als 30 Prozent der Studiengänge in englischer Sprache an (Lauder Business School, MCI Innsbruck, IMC FH Krems, FHWien der WKW). Von mehr englischsprachigen Lehrveranstaltungen profitieren auch die deutschsprachigen Studierenden in ihrer internationalen Anschlussfähigkeit.

Vier vielversprechende Effekte fallen zusammen, wenn es darum geht, wer nach dem Studienabschluss im Land bleibt. Besonders FHs scheinen ein wesentlicher Faktor im Bleibenwollen darzustellen: 52 Prozent der internationalen Masterstudierenden waren nach drei Jahren nach ihrem Abschluss immer noch in Österreich. Dieser Anteil ist höher als der der öffentlichen Universitäten. Die Studiengruppen mit der höchsten Verbleibsrate von 59 Prozent sind das Gesundheits- und Sozialwesen (Medizin ausgenommen) sowie Informatik und Kommunikationstechnologien (57 Prozent).

Wer bleibt, wer geht

Personen aus Drittstaaten ziehen nach dem Abschluss am seltensten wieder weg im Vergleich zu Absolventinnen und Absolventen aus EU-Ländern, wie eine Untersuchung der Statistik Austria aus dem Jahr 2021 zeigt. Hinzu kommt, dass von den Doktoratsanwärtern ein Löwenanteil aus Staaten außerhalb der EU (23 Prozent) und aus Westeuropa (16 Prozent) stammt. Das übertrifft den Anteil an Deutschen bei weitem.

Abseits des Doktoratskosmos sieht die Realität beim Lehrpersonal allerdings anders aus. 93 Prozent der Angestellten der FHs kommen aus dem deutschsprachigen Raum. Internationales Personal hat überdies häufiger befristete Verträge als die österreichischen Kollegen. Die Studie des IHS zeigt ebenfalls auf, dass sie neben bürokratischen Hürden auch Diskriminierung erfahren. Der Zwang, nach wenigen Jahren auf Deutsch zu unterrichten, könnte ebenfalls abschreckend wirken.

Außerdem ruft der Wissenschaftsrat zur Etablierung einer Willkommenskultur auf. Die IMC FH Krems scheint hier als Vorreiter auf. Sie etablierte ein sogenanntes Welcome Center: "Wir helfen Studierenden bei Visumsfragen, der Wohnungssuche, organisieren Welcome Days und Exkursionen und bieten Deutschkurse an."

Für Österreich ist es selbstverständlich erstrebenswert, akademisch ausgebildete Menschen auch aus Drittstaaten willkommen zu heißen. Kommen diese nach Österreich und bleiben hier, fehlen sie aber in ihren Herkunftsländern als Treibkraft für Veränderung. Der Wissenschaftsrat ruft deshalb zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion auf: "Um die Chancen und Erfolgsraten nachhaltig zu steigern, muss zuerst ein breites Bekenntnis zur Anwerbung internationaler Studierender stehen. Das ist eine Grundsatzfrage, die über Wissenschaftspolitik und Hochschulen hinausgehend beantwortet werden muss." (Natascha Ickert, 9.2.2022)