Kanzler Nehammer (links) und Klubobmann Wöginger (rechts) waren einst Generalsekretäre des ÖAAB – und kümmerten sich um "Bürgeranliegen".

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Vom Großen ins Kleine, also vom Landespolizeidirektor bis hin zum Postenkommandanten erstreckte sich das parteipolitische Interesse der ÖVP im Innenministerium. Karrieresprünge gab es meist nur mit dem richtigen Parteibuch, besprochen wurde all das auf höchster Ebene.

Chats legen nun nahe, dass mit diesem System auch der heutige Bundeskanzler Karl Nehammer sowie ÖVP-Klubobmann August Wöginger vertraut waren. Beide machten sich im Frühsommer 2016 für einen oberösterreichischen Mitarbeiter im Bereich Asyl stark.

"Das ist er. CV (Lebenslauf, Anm.) bei dir per Mail. LG Karl", schrieb Nehammer am 5. Juli 2016 an den damaligen Kabinettschef im Innenministerium, Michael Kloibmüller. Schon eine Woche zuvor hatte sich der heutige ÖVP-Klubobmann August Wöginger bei Kloibmüller gemeldet, es ging um dieselbe Personalie.

Wöginger schickte die Kontaktdaten eines damaligen oberösterreichischen Landtagsabgeordneten und Bürgermeisters, den Kloibmüller "bitte wegen Verlängerung" des Vertrags eines Mitarbeiters anrufen solle.

Gute und keine Erinnerung

Spurensuche in Oberösterreich: Wurde der Bürgermeister je kontaktiert? "Das war rein eine Sache in Asylangelegenheiten. Der hat in einer Asylunterkunft gearbeitet", erklärt der frühere Abgeordnete. "Wenn es schlimm sein soll, dass man sich für jemanden einsetzt, der Asylanten hilft, dann kann ich nur sagen: trauriges Österreich. Danke, fertig", sagte der Bürgermeister dem STANDARD, bevor er unvermittelt auflegte und danach nicht mehr erreichbar war.

Das Bundeskanzleramt erklärt die Vorgänge so: Der Vater des betroffenen Beamten habe sich in einer Sprechstunde an August Wöginger gewandt und gebeten, die Verlängerung des Vertrags des Sohnes, der eine Asylbetreuungsstelle leitete, prüfen zu lassen. "Daraufhin hat Wöginger Karl Nehammer gebeten, den Lebenslauf an den damaligen Kabinettschef Kloibmüller zwecks Prüfung weiterzuleiten. Nicht mehr und nicht weniger ist geschehen", heißt es aus dem Bundeskanzleramt. Zu dem Beamten habe Nehammer "weder eine persönliche noch eine politische Verbindung"; der Beamte sei mittlerweile auch nicht mehr im Bundesdienst beschäftigt.

Wöginger verweist auf Anfrage an die Antwort des Kanzleramts. Der heutige Klubobmann der ÖVP steht derzeit wegen des Verdachts einer Intervention in anderer Sache im Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Er soll sich im Jahr 2017 dafür starkgemacht haben, dass ein ÖVP-Politiker und Bürgermeister das Finanzamt Braunau/ Ried/Schärding übernimmt.

Der Kandidat war erfolgreich, obwohl er schlechter qualifiziert gewesen sein soll als seine Mitbewerberin. Die WKStA begehrte nun die Auslieferung Wögingers durch den Nationalrat, damit sie gegen ihn ermitteln kann – es gilt die Unschuldsvermutung. Die oberösterreichische SPÖ forderte die Neuausschreibung der betroffenen Stelle; das Finanzamt reagierte ablehnend. Der betroffene Mitarbeiter sei ohnehin anderswo tätig. Wöginger betonte, dass er "zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die unabhängige Kommission" genommen habe – allerdings wies fast jedes der fünf Mitglieder der Kommission eine Nähe zur ÖVP auf – gegen vier von ihnen wird ermittelt.

Zurück zum Innenministerium: Mit dem hatte Nehammer 2016, als er sich für einen Mitarbeiter starkgemacht hat, nur indirekt zu tun. Er selbst war Generalsekretär des ÖAAB, die Funktion hatte er übrigens von Wöginger übernommen. Im Kabinett von Minister Wolfgang Sobotka arbeitete allerdings Nehammers Ehefrau Katharina – man kannte sich also.

Gemeinsame Skitage

Überhaupt sind die Bande innerhalb der ÖVP eng: Laut "Österreich" weilen zurzeit die frühere Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die Familie Nehammer sowie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner – die einst ebenfalls im Ministerium gearbeitet hat – gemeinsam auf Skiurlaub.

Am Montagabend wurde dem Vernehmen nach debattiert, wie man mit den vom STANDARD berichteten Chats von Mikl-Leitner – "Rote bleiben Gsindl! Schönen Schitag!" – und Vorwürfen der Postenkorruption umgehen solle.

Das Bundeskanzleramt sagt auf Anfrage, es zähle "zu den Kernaufgaben von Politiker/innen, Bürgeranliegen entgegenzunehmen und diese Anliegen an zuständige Stellen weiterzuleiten". Dabei werde "kein Recht gebeugt", vielmehr sei das "politische Basisarbeit", die " Politiker/innen aller Parteien" leisten würden, "egal ob ÖVP, SPÖ, Grüne, Neos oder FPÖ". (Fabian Schmid, 9.2.2022)