Junge Klimaschützer besetzen monatelang Baustellen in der Donaustadt, bis sie schließlich mit Polizeigewalt vertrieben werden. In Österreich behindern motorisierte Corona-Maßnahmen-Gegner durch Langsamfahren den Straßenverkehr und sprechen bewundernd über das Vorbild Kanada, wo Lkw-Fahrer seit Wochen die Hauptstadt Ottawa lahmlegen und durch Brückenblockaden Teile der Industrie paralysieren.

So unterschiedlich die Motive und die Mittel auch sind – bei all diesen Aktionen stellt sich dieselbe Frage: Wo sind die Grenzen zwischen legitimen Formen des Protests und einem gesetzeswidrigen Verhalten zum Schaden Dritter, das ein Rechtsstaat nicht zulassen kann?

Mit Lkws blockieren Impfgegner die Straßen der kanadischen Hauptstadt Ottawa.
Foto: imago images/Xinhua

Wie Einzelne zu diesen Protesten stehen, hängt oft von der politischen Einstellung ab. Dieselben Menschen, die sich über Blockaden durch Impfgegner empören, zeigen Verständnis für die Aktionen der radikalen Klimaschützer der "Extinction Rebellion", die sich inmitten stark befahrener Straßenkreuzungen stundenlang anketten. Und so mancher Maßnahmenkritiker, der auch abseits bewilligter Demonstrationen samstags durch die Straßen zieht, ist davon überzeugt, dass das Protestcamp gegen die Wiener Stadtstraße von der Polizei zu Recht aufgelöst wurde.

Was die Gesellschaft braucht, sind Regeln, die unabhängig von der Weltanschauung gelten. Manchmal muss die gesetzliche Ordnung ein wenig verletzt werden, um dem Protest eine starke Stimme zu verleihen. Nicht jede unangemeldete Demonstration oder kurze Straßenblockade ist ein Angriff auf den Rechtsstaat. Aber entscheidend ist dabei, dass solche Aktionen als Beitrag zum öffentlichen Diskurs dienen und nicht demokratisch legitime Entscheidungen sabotieren. Deshalb war die Stadt Wien im Recht, als sie die Protestcamps gegen Lobautunnel und Stadtstraße nach vielen Monaten mit Gewalt auflöste, auch wenn man Zeitpunkt und Stil hinterfragen kann.

Gefährlicher Aufruhr

Blockaden mit Autos oder gar Lkws sind problematischer. Eine kleine Minderheit kann mit metallener Macht das öffentliche Leben lahmlegen und großen wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Schaden anrichten. Der Protest der Trucker in Kanada ist ein gefährlicher Aufruhr, der niedergeschlagen werden muss – egal, was man von Kanadas Corona-Politik denkt.

In milderer Form gilt das auch für die heimischen Konvoifahrer. Es war eine Sache, als Impfgegner gegen die Anordnungen der Behörde im Dezember den Weihnachtseinkauf zu Fuß behinderten – und die Polizei dies weitgehend zuließ. Aber wenn Impfgegner ihre Fahrzeuge als Waffe benutzen, um unbeteiligte Dritte ihre Empörung spüren zu lassen, dann werden Grenzen überschritten.

Corona-Maßnahmen-Kritiker können nicht behaupten, dass ihre Proteste auf taube Ohren stoßen; bei der Frage der Impfpflicht gewinnen sie derzeit sogar die Oberhand. Verkehrsblockaden tragen zu dieser Debatte nichts bei, sondern sind nur eines: Delikte, die der Staat verhindern oder konsequent bestrafen muss. (Eric Frey, 11.2.2022)