Tarnen und Täuschen, Irreführung der Feinde und sogar der Verbündeten, Lüge und List: Das alles gehört zur psychologischen Kriegsführung von Staaten. Auch auf die eigene Bevölkerung, deren Fragen, Sorgen und Nöte, nehmen Regierungen dabei selten Rücksicht. Man lässt die Bürger in den Scharmützeln von Information und Desinformation allein.

Österreich muss sein widersprüchliches "Neutral und/oder solidarisch" in der EU aufgeben, eindeutig Position beziehen.
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Österreich ist dabei ein ganz besonderes Exemplar. Bei militärischen Konfrontationen selbst in nächster Nachbarschaft wie in den 1990er-Jahren in Ex-Jugoslawien, heute in der Ukraine, nähren Politiker gerne die Erzählung, dass das "mit uns" nichts zu tun habe. "Wir sind neutral", heißt es dann. Wir sind "Brückenbauer" – auch zu Schurken.

Diese Art von sicherheitspolitischem Opportunismus gehört zur alten Grundausstattung der Republik, egal ob das Land gerade türkis-grün, türkis-blau oder großkoalitionär rot-schwarz geführt wurde. Insofern ist es gut, wenn Europaministerin Karoline Edtstadler in der Ukraine-Krise den Bürgern reineren Wein einschenkt als üblich.

Sie spricht offen aus, was seit dem EU-Beitritt 1995 im Prinzip klar ist: Die Neutralität ist auf einen Restbestand reduziert. Österreich lässt keine Stationierung fremder Truppen zu und hält sich aus Kriegen heraus. Was der Ukraine droht, ist aber kein Krieg zwischen Staaten, sondern ein völkerrechtswidriges Verhalten Russlands. In einem solchen Fall muss Österreich sein widersprüchliches "neutral und/oder solidarisch" in der EU aufgeben, eindeutig Position beziehen. Die EU kann Moskaus Verhalten nicht tolerieren, und wir können nicht "neutral sein". (Thomas Mayer, 15.2.2022)