Wollen Sie eine Pflegemaschine? Keine schlechte Laune, keine Lohnforderung und kein Streik. Aber von der Akzeptanz bis zu rechtlichen und ethischen Fragestellungen ist noch vieles zu klären.

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In immer mehr Pflegeheimen hilft Pepper aus. Er erzählt Witze, liest Märchen vor oder macht Tiere nach. Doch der Entertainer, der mit seinen schwarzen Kulleraugen Patienten bespaßt, ist kein Mensch, sondern ein Roboter. Ausgestattet mit Mikrofonen, 3D-Kamera und Sensoren, kann der 1,20 Meter große Androide seine Umgebung wahrnehmen und Konversationen führen. Er wird nicht müde, hat keine Launen und fordert keine Lohnerhöhung.

Pepper ist ein echter Allrounder – der soziale Roboter kann auf Messen genauso eingesetzt werden wie im Büro oder im Seniorenheim. Roboter sind keine Antwort auf den Pflegenotstand, sie können in Zukunft aber Pflegekräfte bei Routineaufgaben entlasten, etwa beim Aufrichten und Umbetten von Patienten oder beim Getränkebringen. Allein in Österreich fehlen laut einer Studie bis 2030 rund 75.000 Pflegekräfte.

Neben Pepper gibt es eine Reihe weiterer Roboter, die im Pflege- und Therapiebereich zum Einsatz kommen. Zum Beispiel Paro. Der Roboter, der einer Babysattelrobbe nachempfunden ist, wendet die Tiertherapie bei Demenzkranken an. Neben Dementen sind auch Autisten eine Zielgruppe für Therapierobotik. Doch wie sieht der Alltag in der Pflege mit diesen Geräten aus? Und werden sie von den Patienten akzeptiert?

Mehrwert schaffen

Oliver Bendel ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und Experte für Informations- und Maschinenethik. Er hat zahlreiche Publikationen zu dem Thema verfasst und Vorträge darüber gehalten. Bendel sagt, dass Pflegeroboter von Patienten vor allem dann akzeptiert werden, wenn sie "einen klaren Mehrwert" bringen: "Wenn eine Frau ans Bett gefesselt ist, und der Pflegeroboter reicht ihr ein Glas Wasser oder eine Zeitung, verbessert das ihre persönliche Autonomie."

Therapieroboter wie Paro hätten sehr positive Effekte auf Demente, berichtet Bendel. Der Praxiserfolg hänge jedoch stark von den Patienten ab. Manche würden gereizt reagieren, was mit der äußeren Gestaltung oder mit der Stimme zu tun haben könne. Oft seien es kleine Designdetails, die sich auf die Akzeptanz auswirken. So zeigen Untersuchungen, dass Patienten Angst haben, wenn der Kopf des Roboters über ihren Augen ist.

Kein Ersatz

Bei der Entwicklung von Robotern gebe es noch einige ingenieurtechnische Herausforderungen zu bewältigen. "Die motorischen und mechanischen Fähigkeiten von Servicerobotern und sozialen Robotern sind bis heute wenig entwickelt", konstatiert Bendel. Die meisten Serviceroboter haben nämlich Rollen und keine Beine, weshalb sie selbst in barrierefreien Umgebungen eingeschränkt sind: Sie können keine Treppen bewältigen, und auch im Aufzug brauchen sie meistens Hilfe.

Der Prototyp Robear, der im Tandem mit einer Pflegekraft Patienten aufrichten und umbetten konnte, wurde unter anderem deshalb nicht weiterentwickelt, weil er sehr schwer und groß und deshalb gefährlich ist. "Selbstverständliche Tätigkeiten in der Pflege beherrschen Pflegeroboter bis heute nicht", lautet die Einschätzung des Robotikexperten. "Sie können dem Patienten keine Nahrung reichen und ihn weder aus- noch anziehen." Auch soziale Nähe könnten sie kaum ersetzen.

Ethische und rechtliche Fragen

Der Einsatz von Pflegerobotern wirft überdies eine Reihe ethischer und rechtlicher Fragen auf. Wer haftet, wenn der Roboter falsch bedient wird oder einen Patienten verletzt, etwa beim Umbetten oder beim Reichen des Bestecks? Wie soll sich ein Roboter in Dilemmasituationen verhalten, wenn mehrere Patienten gleichzeitig versorgt werden müssen? Wie soll der Pflegeroboter reagieren, wenn ihn ein Patient um Sterbehilfe bittet? Was passiert mit den personenbezogenen Daten, die ein Roboter sammelt und auswertet (etwa stimmbiometrische Aufnahmen)? Werden in Zukunft nur noch wohlhabende Menschen von Menschen gepflegt? Nach dem Motto: Menschen für Reiche, Maschinen für Arme? Das sind eine Reihe von Fragen, die auf Konferenzen diskutiert werden, auf die es aber keine klare Antwort gibt.

Ethikprofessor Bendel sieht den Nutzen der Technik ambivalent. Einerseits werde die persönliche Autonomie durch Pflegeroboter gestärkt. Andererseits bestehe die Gefahr, dass die informationelle Autonomie beeinträchtigt werde. "Der Roboter dringt unter Umständen tief in die Intim- und Privatsphäre ein", warnt Bendel. Daher müssten Roboter in Übereinstimmung mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) betrieben werden und ihre Aktionen für den Benutzer transparent sein.

Entlastung

Wenn die Automatisierung im Pflegebereich stark voranschreiten würde, bestünde durchaus die Gefahr, dass die Ärmeren "in einer Pflegemaschinerie landen", wo sie von Roboterarmen geputzt und gefüttert werden, die Reichen dagegen in den Armen einer Pflegekraft, wo sie Zuwendung und Fürsorge erfahren. Das ließe sich aber verhindern, so Bendel. Der Maschinenethiker sieht den Einsatz von Pflegerobotern als "punktuelle Unterstützungsmöglichkeit": "Sie sollen Pflegekräfte ergänzen und entlasten, nicht ersetzen."

In naher Zukunft könnten Roboter auch dabei helfen, die Würde zu wahren und Scham zu verhindern. So hätten Erhebungen gezeigt, dass sich einzelne Patienten lieber von einem Roboter als von einem Menschen im Intimbereich waschen lassen würden. So einen Roboter müsste man erst einmal bauen und programmieren, und man müsste ihn so gestalten, dass er angenehm und vertrauenswürdig wirkt. Aber wenn es ihn dereinst gibt, dann kann er ein verbreitetes Problem lösen, sagt Ethikprofessor Bendel. (Adrian Lobe, 7.3.2022)