Swetlana hat Stress: Während das Land wegen des Frauentags am 8. März ein verlängertes Wochenende genießt, muss sie arbeiten. Schlimmer noch: Ihre Arbeit besteht darin, sich selbst abzuwickeln. Denn Swetlana hat bei Visa gearbeitet. Am Wochenende jedoch haben Visa und Mastercard verkündet, dass sie ihre Arbeit auf dem russischen Markt beenden. "Wir sind wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine und der inakzeptablen Ereignisse, derer wir Zeugen geworden sind, zu diesem Schritt gezwungen", begründeten die Unternehmen ihren Rückzug.

Ganz unvorbereitet hat Swetlana der Schritt nicht getroffen. Schon vor Tagen, nach Bekanntwerden der westlichen Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor, bekamen die Mitarbeiter wegen der unklaren Lage die kommenden drei Monatsgehälter ausgezahlt. Trotzdem trifft die Entlassung Swetlana hart. Die junge Mutter muss mit ihrem Mann die Hypothek für ihre noch im Bau befindliche Wohnung abzahlen. Das könnte schwierig werden.

Wer eine Visa-Karte oder eine Mastercard hat, muss sich schleunigst nach Alternativen umsehen – für Ausländer ist das schwieriger.
Foto: Imago / Mikhail Tereshchenko

Probleme deuten sich auch für die Kreditkarteninhaber der beiden Anbieter an. Immerhin haben Visa und Mastercard etwa zwei Drittel der in Russland ausgegebenen Kreditkarten bedient. Der Umsatz beläuft sich sogar auf drei Viertel. Ab dem 10. März werden alle internationalen Transaktionen eingestellt, auf nationaler Ebene würden die Karten aber weiterhin funktionieren, versicherte ein Vertreter des nationalen Kreditkartensystems in Russland.

Mir statt Visa

Die ausgebenden Banken sollen demnach die auslaufenden Visa-Karten und Mastercards mit dem einheimischen Kreditkartensystem Mir ersetzen. Da Mir – auf Deutsch "die Welt" (oder: "der Frieden") – entgegen seinem Namen aber nicht weltweit, sondern nur in Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, der Türkei und Vietnam anerkannt wird, müssen sich Auslandsreisende wohl zusätzlich eine Karte der chinesischen Union Pay besorgen, die derzeit erst von wenigen Banken ausgegeben wird.

Da freilich am Wochenende die russischen Fluggesellschaften quasi einheitlich die Einstellung ihrer internationalen Flüge im Laufe der Woche verkündet haben – aus Angst, dass die von ihnen im Ausland geleasten Flugzeuge beschlagnahmt werden –, dürfte sich dieses Problem für die meisten Russen ohnehin erledigt haben. Für Kleinunternehmer im Im- und Export wird dies aber ebenso eine Herausforderung wie für Internetshopper, die sich beispielsweise gern bei Alibaba eingedeckt haben.

Probleme mehren sich

Ob die Umstellung der Visa-Karten und Mastercards auf das einheimische Zahlungssystem Mir zumindest zu Hause in der Praxis so schnell funktioniert wie angekündigt, bleibt abzuwarten. In den vergangenen Tagen haben bei vielen Karteninhabern die Kreditkarten schon gestreikt. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um den bargeldlosen Zahlungsverkehr per Telefon, der per Apple, Google oder Samsung Pay abgewickelt wird. Auch diese Systeme haben ihren Rückzug vom russischen Markt verkündet.

Problematisch wird es in jedem Fall für viele Ausländer, die eine Visa-Karte oder Mastercard von internationalen Banken haben. Diese sind ab dem 10. März in Russland nicht mehr nutzbar.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die OMV schreibt in Russland viel Geld ab.
Foto: Reuters/Bader

Nicht minder ungemütlich ist die Lage – wie berichtet – für die OMV. Dass Österreichs größter Industriekonzern seine Russland-Strategie überdenken muss, ist spätestens seit dem Einfall Russlands in die Ukraine klar. Eine dürre Mitteilung des teilstaatlichen Konzerns vom Wochenende fasst nun zusammen, was sich bereits abgezeichnet hat.

In Russland werde es künftig keine Investitionen mehr geben, die 24,99-Prozent-Beteiligung am Erdgasfeld Juschno-Russkoje werde "strategisch überprüft", hieß es in einer Aussendung von Samstagabend nach einem Vorstandsbeschluss: "Diese Überprüfung beinhaltet alle Optionen einschließlich Möglichkeiten einer Veräußerung oder eines Ausstiegs."

Geld in den Wind

Was sich jeder ausmalen kann: Die Nachfrage nach solchen Assets dürfte sich derzeit in Grenzen halten. Die OMV muss 500 bis 800 Millionen Euro abschreiben. Auch Nord Stream 2 wird offiziell zu Grabe getragen – was eine weitere Abschreibung von fast einer Milliarde Euro bedeutet. Die OMV war an der Finanzierung der Pipeline beteiligt, die wohl nicht in Betrieb gehen wird. Die OMV nehme "wegen der erwarteten Uneinbringlichkeit der Forderungen gegenüber der Nord Stream 2 AG eine Wertanpassung in Höhe von 987 Mio. Euro (Ausleihung plus Zinsabgrenzung, Stand 31. Dezember 2021) vor", heißt es.

Suche nach Alternativen

Die Sorge, dass russisches Gas schneller ausgehen könnte, als Alternativen zur Verfügung stehen, führt die heimische Spitzenpolitik indes in andere Weltregionen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Elisabeth Köstinger (ÖVP) sind in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterwegs, um rasche Alternativen aufzutun. Flüssiggas (LNG) aus den Golfemiraten für Österreich – das steckt hinter der Reise. Köstinger stattet zudem in Abu Dhabi dem Industrieminister der VAE, Sultan Ahmed Al Jaber, einen Besuch ab. Was genau und vor allem wie rasch überhaupt etwas aus der Absichtserklärung über eine Zusammenarbeit im Bereich grüner Wasserstoff erwachsen könnte, ist noch offen. Sicher ist: Die Zeit drängt. (André Ballin, Regina Bruckner)