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Markus Braun weist alle Vorwürfe zurück, er sieht sich selbst als Opfer.

Foto: Reuters/FABRIZIO BENSCH

Düsseldorf/München – Die Staatsanwaltschaft München erhebt nun – wie im vergangenen Jahr in Aussicht gestellt – Anklage gegen den ehemaligen Wirecard-Chef Markus Braun im Betrugsskandal. Das teilte die Behörde am Montag mit. Über seinen Pressesprecher beteuerten Brauns Verteidiger die Unschuld ihres Mandanten und erhoben schwere Vorwürfe gegen die Ermittler.

Die Ermittler werfen Braun und zwei weiteren ehemaligen Wirecard-Managern "bandenmäßiges Vorgehen" vor. Sie sollen seit 2015 die Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben. Vom Gesamtschaden entfallen 1,7 Milliarden Euro auf Kredite und weitere 1,4 Milliarden auf Schuldverschreibungen. Braun unterschrieb laut der Anklage wissentlich die falschen Bilanzen. Von seinem Anwalt lag zunächst keine Stellungnahme vor.

Der Österreicher sitzt seit fast 20 Monaten in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen in Untersuchungshaft. Sein Co-Vorstand Jan Marsalek ist seit dem spektakulären Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters im Juni 2020 auf der Flucht – er wird in Russland vermutet. Er und andere Beschuldigte könnten allerdings zu einem späteren Zeitpunkt noch angeklagt werden. Braun hingegen wird wohl noch länger in Augsburg-Gablingen sitzen, wenn es zum Prozess kommt. Und danach sieht es derzeit aus, wie das "Handelsblatt" berichtet.

Betrugsskandal

Zur Erinnerung: Im Juni 2020 stellte sich heraus, dass hinter der vermeintlichen Erfolgssaga des in Deutschland wie Österreich hochgejubelten Konzerns ein veritabler Betrugsskandal steckt: 1,9 Milliarden Euro, ein Viertel der Bilanzsumme, fehlten – Wirecard rutschte in die Pleite, und Braun kam in Untersuchungshaft.

Spätestens seit 2015, davon gehen die Ermittler, die seit Sommer 2020 laut "Handelsblatt" 450 Zeugen vernommen, üppigen E-Mail-Verkehr sowie Chatnachrichten gesichtet und Dokumente sichergestellt haben, sollen Braun und Mitstreiter gewusst haben, dass Wirecard mit den tatsächlichen Geschäften Verluste erzielte. Um die Fassade zu wahren, sollen sie die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen von Wirecard durch das Vortäuschen von Einnahmen aus Geschäften mit sogenannten Drittpartnern aufgebläht haben, um finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiv auszusehen und um an weitere Kredite zu kommen.

Verteidiger beteuern Unschuld

Die Verteidiger hingegen stellten Braun als Opfer dar: "Die Anklage leidet an gravierenden Mängeln und geht von einem völlig falschen Tatbild aus." Im weiteren Verfahren werde sich erweisen, dass "Dr. Braun nie Teil einer Bande war, die Millionensummen hinter seinem Rücken veruntreut hat, dass er nichts von den Machenschaften dieser Bande gewusst und schon gar nicht von diesen profitiert hat". Dies zielt auf Marsalek, gegen den die Staatsanwaltschaft gesondert ermittelt.

Mit auf der Anklagebank sitzen zwei weitere Manager, unter anderen der ehemalige Chefbuchhalter und Vizefinanzvorstand Stephan von Erffa. Den früheren Wirecard-Machern drohen bis zu zehn Jahre Haft, sollte es zu einem Prozess und zu einer Verurteilung kommen.

Nach einer Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft muss allerdings erst die vierte Strafkammer des Landgerichts München I entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird und es damit zu einem Prozess kommt. Als realistisch gilt laut "Handelsblatt" eine Entscheidung im Sommer. Dass es zur öffentlichen Hauptverhandlung kommt, gilt demnach als sicher. Der Prozess dürfte dann im Herbst starten. (red, APA, 13.3.2022)