Ist Gott ein Hacker? Lässt man seine Eingriffe in die Heilsgeschichte Revue passieren, ist ihm das Zeug dazu nicht abzusprechen. Umso bedauerlicher, dass die nächtliche Inbetriebnahme der Glocken von St. Stephan selbst von Blättern, die dem Kardinal eine wöchentliche Kolumne spendieren, ausschließlich auf teuflisch-weltliche Verursacher zurückgeführt wurde, so als hätte ER einen Cyberangriff notwendig, um eine im Zustand der Sünde wandelnde Regierung zur Umkehr zu mahnen. Und selbst wenn es ein Hacker war – es wäre ja nicht das erste Mal, dass ER sich seine Werkzeuge sucht, wo ER sie braucht. Dass ausgerechnet der Dompfarrer blind oder, besser gesagt, taub für den Fingerzeig von oben war und den Channel himmlischer Fernwartung frevelhaft verstopfte, statt das Licht an dessen Ende in Demut wahrzunehmen, ist nur mit Verstocktheit zu erklären, wie man sie sich bei häufiger Teilnahme an irdischen Vergnügungen leicht zuzieht.

In Wien gilt im Handel weiterhin die Maskenpflicht.
Foto: Veronika Huber

Für die Regierung kann das kein Grund sein, die Anrede aus dem elektronischen Dornbusch zu ignorieren, wenn schon sonst kein noch so vernünftiger Ratschlag von Experten in der Bekämpfung der Seuche gegen einen eher materialistisch als spirituell motivierten Freiheitsdrang durchsetzbar ist. Der Fluch, der auf zwei Gesundheitsministern lastete, scheint dem dritten keine Warnung zu sein, was schon bei seinem Amtsantritt klar wurde. Da sagte er, "unter Kurz hätte ich den Job nicht angenommen", was eine gesunde und wohlverdiente Watsche für jene Parteifreunde war, die "unter Kurz" willig gleich in eine Koalition eingetreten sind und zugesehen haben, wie dieser Gesundheitsministern mit herzerfrischenden, aber leider falschen Prognosen zur eigenen Glorie ins Handwerk pfuscht.

Wechselnde Masterpläne

Möge wenigstens er die Glocken von St. Stephan als Warnung verstanden haben, schließlich soll das nur der Volksgesundheit dienen und nicht gleich dem ewigen Heil. Dafür sind in Österreich die Innenminister zuständig, wenn sich schon die Kirche verweigert. Der göttliche Heilsplan wirkt wenigstens theoretisch konsequent, was man von den sprunghaft wechselnden Masterplänen der Gesundheitsminister nicht so sehr behaupten kann. Konsequenz ist schließlich etwas, was wenigstens ein paar Wochen lang währen soll. Die Amtszeit eines Ministers wäre schon zu viel verlangt.

Vielleicht haben wir es auch nur mit einer alemannischen List zu tun, wenn der Gesundheitsminister dann, wenn die Zahl der Neuinfektionen einen internationalen Höchststand erreicht, die meisten Restriktionen aufhebt, und am besten auch gleich alle Quarantäneregeln, weil die Zahl der Intensivpatienten in den Spitälern auf einen skandalös niedrigen Stand gesunken ist. Was sonst in den Krankenhäusern los ist, das muss einem die Durchseuchung der Bevölkerung wert sein. Erschöpftes Personal, aufgeschobene Operationen? Einfach durchrauschen lassen.

Durchrauschen kann man getrost die endemisch ins Kraut schießenden Fantasien einer Abschaffung der Neutralität, eines Nato-Beitritts und einer Aufrüstung des Bundesheers auf Nato-Niveau lassen. Wenn Putin Österreichs Neutralität als Vorbild für die Ukraine erwähnen lässt, ist einmal Gelassenheit angesagt. Aber so tot kann sie dann nicht sein, wie Nato-Fans sie gern hätten. Und an Geld fehlt’s sowieso. (Günter Traxler, 17.3.2022)