Wollte den Corona-Kurs der Bundesregierung offenbar nicht mehr länger mittragen: Rot-Kreuz-Bundesrettungskommandant Gerry Foitik.

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Es wurde dann doch Freitagabend. Nach tagelangem Gezerre trat Gesundheitsminister Johannes Rauch vor die Medien. Es war der wohl mit Abstand ereignisreichste Tag seit seinem Wechsel in die Regierung. Ein Mitglied der Gecko-Kommission, Gerry Foitik, der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, hatte am Nachmittag das staatliche Corona-Gremium aus Protest verlassen; die Lage an den Spitälern spitzte sich zu – und Rauch musste verkünden, was er eigentlich vermeiden wollte: Kurz nach der breiten Öffnung Anfang März schärft die Regierung nun doch wieder mit Maßnahmen nach.

Konkret soll die Maskenpflicht in Innenräumen wieder zurückkehren. Zahlreiche Expertinnen und Experten hatten das längst gefordert – oder eigentlich: bereits die Abschaffung der Maßnahme kritisiert. Derzeit gilt die Maskenpflicht österreichweit nur im sogenannten lebensnotwendigen Bereich: im Supermarkt, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Apotheken. Die Stadt Wien ist strenger, hier gilt die Maskenpflicht schon jetzt in sämtlichen Innenräumen – also im gesamten Handel sowie etwa im Kulturbereich. Nun kehrt die FFP2-Maske bundesweit zurück.

Homeoffice-Empfehlung

Darüber hinaus hat sich die Regierung darauf geeinigt, dass Gesundheitspersonal schneller aus einer Covid-Absonderung zurückkehren kann. Außerdem sprach Rauch eine Homeoffice-Empfehlung aus.

Rauch, ein grünes Urgestein, war zwei Tage nach den breiten Öffnungsschritten angelobt worden. Er hatte sie nicht direkt kritisiert, sich aber doch immer wieder skeptisch geäußert: Der Schritt sei zu früh erfolgt. Dennoch wollte der neue Gesundheitsminister dann daran festhalten – vielen Expertinnen und Experten zum Trotz. Die Rückkehr von Maßnahmen sei der Bevölkerung nach der kürzlich erfolgten großen Öffnung nicht vermittelbar, hat Rauch argumentiert – bis Freitag.

Einstweilen hatte die Covid-Krisenkoordination Gecko nach nur drei Monaten ihre erste veritable eigene Krise zu bewältigen – und damit auch Rauch. Vor der Sitzung des 22-köpfigen Expertengremiums am Freitagnachmittag herrschte dicke Luft. Viele Gecko-Mitglieder waren unzufrieden damit, dass die türkis-grüne Bundesregierung ihre Empfehlungen zuletzt teils ignoriert hatte und die jüngsten Maßnahmen wie die Lockerungen der Quarantäne oder die Beschränkung der Teststrategie nicht abgestimmt worden waren.

Aber nicht nur das. Die Realität sei bisher so gewesen, dass das Team um die medizinische Gecko-Leiterin und oberste Gesundheitsbeamtin im Gesundheitsministerium, Katharina Reich, mehr mit Kabinetten verhandelt habe, als dass nach wissenschaftlicher Evidenz gesucht worden sei, wie ein Gecko-Mitglied im Vorfeld erzählte. Bisher soll es sogar so gewesen sein, dass die Fragestellungen der Gecko-Kommission erst von Kanzleramt und Gesundheitsministerium genehmigt werden mussten, bevor das Gremium überhaupt mit seiner Arbeit habe beginnen können.

Rauch gelang es aber, diese schlechte Stimmung zu besänftigen. Der Minister habe sogar aus Sicht von Kritikern einen empathischen Auftritt hingelegt und soll glaubhaft versichert haben, dass sich etwas ändern würde. Die Unzufriedenen, Ex-Verteidigungsminister Thomas Starlinger und der Mikrobiologe Andreas Bergthaler, blieben daher doch an Bord.

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Foitik legt seine Funktion nieder

Am Ende hat nur Foitik das Gecko-Gremium verlassen. Grund dafür sei der Corona-Kurs der Regierung gewesen, den er nicht mehr länger mittragen könne. So habe Foitik seinen Schritt in der Sitzung begründet, bestätigt ein Kommissionsmitglied. Foitik selbst war für den STANDARD am Freitag nicht erreichbar.

In der ZiB2 am Freitagabend warf Foitik der Politik vor, Gecko zum Teil für ihre Corona-Maßnahmen instrumentalisiert zu haben. Sie habe sich auf Gecko berufen, um Maßnahmen zu begründen. In Gecko wurden diese zum Teil aber gar nicht besprochen. Deshalb forderte er auch Protokolle der Sitzungen ein, um transparent darzulegen, welche Maßnahmen die Expertinnen und Experten empfehlen.

"Ich vertrete eine Strategie, die sich an der Solidarität mit den Schwächsten orientiert", begründete Foitik seinen Rückzug. Dass wöchentlich rund 200 Menschen in Österreich an Corona versterben, wollte Foitik nicht ohne weiteres hinnehmen. "Die Energie für die Gecko-Sitzungen stand in keinem vernünftigen Verhältnis zur Wirkung", sagte Foitik. Deshalb, und auch wegen der humanitären Krise in der Ukraine, zog sich Foitik zurück: "Ich bin überzeugt davon, dass Gecko auch ohne mich überzeugende Arbeit leisten wird."

Der Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Experten von Gecko verlief mit großer Wertschätzung, sagte Foitik. Man sei schmerzbefreit, Vorschläge zu machen, die von der Politik kaum oder gar nicht umgesetzt werden. Dass ab kommender Woche die FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen wieder eingeführt wird, begrüßt Foitik. Er fordert auch ein Homeoffice-Gebot, sowie eine Forcierung der Impfung.

Von Politik als Ausrede verwendet

Der Virologe Herwig Kollaritsch sah und sieht hingegen keinen Grund, das Gremium zu verlassen. Mit der Expertise in seinem Bereich, dem Impfen, sei er letztlich immer durchgekommen, erklärt Kollaritsch: "Da kann ich nicht beleidigt sein." Bei der Impfpflicht sei zwar sowohl das Timing als auch die Kommunikation der Politik "denkbar schlecht" gewesen. Aber sie sei immerhin ein Instrument, das nach wie vor dienlich sein könnte, sollte der kommende Corona-Herbst wieder zu einer Herausforderung werden.

Aber Kollaritsch könne sich vorstellen, dass manche Gecko-Mitglieder irgendwann "verdrießlich" werden, wenn das Gremium – wie in der Vergangenheit – von der Politik mitunter als Ausrede verwendet wird. "Das hat mir teilweise auch nicht gefallen, weil es einfach nicht gestimmt hat – aber das wurde von Gecko-Proponenten ohnedies korrigiert."

Es sei schon eine Menge Arbeit, die in Gecko fließe, weshalb es für Expertinnen und Experten frustrierend sein könne, wenn die Expertisen dann politisch nicht so umgesetzt würden wie gewünscht. Aber Gecko sei eben ein Gremium, das Empfehlungen abgebe, für die Entscheidungen der Politik sei man nicht verantwortlich. "Man muss das pragmatischer sehen", sagt Kollaritsch. "Solche Mimosen sind wir alle nicht." (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, Colette M. Schmidt, Lukas Zahrer, 18.3.2022)