Es gibt staatliche Förderungen, die nur extrem schwer zu reformieren sind. Ganz oben an der Spitze dieser Liste steht die Pendlerpauschale. Die türkis-grüne Regierung hatte in ihrem Koalitionspakt fixiert, die "Ökologisierung und Erhöhung der Treffsicherheit der Pendlerpauschale" bis 2022 umzusetzen. Aber eine solche Gesamtreform des Systems ist gescheitert. ÖVP und Grüne wurden nicht einig, weshalb das Thema bei der im Herbst verkündeten Steuerreform ausgespart wurde.

Das alte Modell erlebt nun sogar ein Comeback. Statt Umgestaltung und Ökologisierung wird die Regierung noch mal deutlich mehr Geld in die Pendlerförderung stecken. Die Pendlerpauschale wird um 50 Prozent angehoben, der Pendlereuro wird sogar vervielfacht. Befristet ist die Maßnahme als Teil des am Sonntag präsentierten Antiteuerungspaketes bis 30. Juni 2023. Kostenpunkt: 400 Millionen Euro. Auch wenn am Montag noch kein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch lag, sorgt der Geldregen für Pendler schon für Aufregung. An drei Fragen entzündet sich die Debatte.

Die Klimafrage

Die Pendlerpauschale wurde ursprünglich geschaffen, um in strukturschwachen Regionen die Landflucht zu verhindern. Anspruch auf die große Pauschale hat ein Arbeitnehmer, wenn sein Arbeitsplatz mit Öffis nicht erreichbar bzw. deren Benutzung "nicht zumutbar" ist. Die Höhe hängt von der Entfernung zur Arbeitsstelle ab. Für zwischen zwei und 20 Kilometern sind es bisher 31 Euro, muss man mehr als 60 Kilometer fahren, wird eine Pauschale von 306 Euro pro Monat gewährt. Die kleine Pauschale bekommen jene, denen die Benutzung von Öffis zumutbar ist, deren Arbeitsplatz aber weit entfernt ist. Für zwischen 20 und 40 Kilometern sind es monatlich 58 Euro. Die Sätze dürften nun um 50 Prozent steigen.

Die Pendlerpauschale wurde ursprünglich geschaffen, um in strukturschwachen Regionen die Landflucht zu verhindern.
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Die Pauschale gilt für das Forschungsinstitut Wifo als klimaschädliche Subvention, so wie die niedrigere Besteuerung von Diesel. So wird hier stärker gefördert, wer weiter weg vom Arbeitsplatz wohnt. Ob bei der Anfahrt öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden, ist für die Förderhöhe selbst bei der kleinen Pauschale irrelevant. Das Umweltbundesamt argumentiert deshalb, gefördert werde damit die Zersiedelung.

Die Pauschale abzuschaffen ist nicht nur politisch de facto unmöglich, weil dann Bewohner ländlicher Regionen viel Geld verlieren würden. Sie ist es auch juristisch. In Österreich gilt, dass nur tatsächliches Einkommen versteuert werden darf. Notwendige Ausgaben, um dieses Einkommen zu erzielen, wie Kosten für An- und Abfahrt zum bzw. vom Arbeitsort, müssen berücksichtigt werden. Wohl gibt es aber eine Reihe bisher nicht umgesetzter Ideen für eine Ökologisierung. "Es müssten Anreize für einen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel geschaffen werden", sagt etwa der frühere Parlamentarier und Ex-Liste-Jetzt-Politiker Bruno Rossmann, ein Steuerspezialist.

Eine Idee des Umweltbundesamtes dazu lautete, dass die kleine Pendlerpauschale künftig nur mehr ausbezahlt werden soll, wenn auch wirklich Bahn oder Bus genutzt werden. Nachzuweisen gewesen wäre das mit einem Jahresticket. Wer Öffis nicht nutzen kann, sollte eine verminderte Förderung erhalten, so die Idee des Bundesamtes, um mit dem Auto zu Bahn oder Bus zu kommen. Was eine Reformdebatte heute verkompliziert, ist, dass durch die Einführung des Klimatickets das Öffi-Fahren ohnehin stärker staatlich subventioniert wird. Das über die Pauschale noch mal zu tun wäre eine Aufdoppelung. An der prinzipiell klimaschädlichen Wirkung der Förderung ändert das freilich nichts.

Die soziale Frage

Hauptkritik von Arbeiterkammer und Gewerkschaft an der Pauschale ist, dass sie Besserverdiener tendenziell bevorzugt. Das liegt an ihrer Ausgestaltung als Freibetrag. Eine Pauschale mindert nicht direkt die Steuerschuld. Vielmehr sinkt die steuerliche Bemessungsgrundlage. Wer mehr verdient und sich deshalb in einer höheren Steuerklasse befindet, profitiert stärker. Beispiel: Wer mehr als 60 Kilometer pendelt und keine Öffis nutzen kann, hat Anspruch auf 3.672 Euro Pauschale. Ein Manager, der 55 Prozent Steuern auf das Einkommen zahlt, von dem die Pauschale abgezogen wird, erspart sich 2.000 Euro an Steuern.

Ein Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen, der mit 32,5 Prozent versteuert, würde sich nur 1.200 Euro ersparen. Dass sich die Pendlerpauschale "trotz identer Wegstrecke und Kosten beim Generaldirektor stärker auswirkt als bei seiner Assistentin ist keinem Menschen erklärbar und gehört dringend geändert", sagt dazu Dominik Bernhofer, Steuerexperte der Arbeiterkammer.

Zu Diskussionen wird die neue Pauschale auch führen, weil Arbeitnehmer in Wien kaum berücksichtigt werden.
Foto: APA/Florian Wieser

Um diesen Effekt zu kompensieren, haben die Grünen sich dafür eingesetzt, den Pendlereuro stärker zu erhöhen, zu vervierfachen. Der Pendlereuro mindert direkt 1:1 die Steuerlast, dort gibt es diesen Effekt nicht. Und: Künftig wird auch bis zu 100 Euro mit dem Instrument bekommen können, der so wenig verdient, dass er gar keine Steuern bezahlt. Im Vergleich zur Pendlerpauschale sind das aber kleinere Posten. 2019 hat der Staat 1,357 Milliarden Euro für die Pendlerpauschale ausgegeben.

Die Stadt-Land-Frage

Zu Diskussionen wird die neue Pauschale auch führen, weil Arbeitnehmer in Wien kaum berücksichtigt werden. In der Stadt sind öffentliche Verkehrsmittel zumutbar, Arbeitswege über 20 Kilometer gibt es selten. Wie beim Klimabonus, wo es das wenigste Geld für Wien gibt, existiert auch hier ein Stadt-Land-Gefälle. (András Szigetvari, 22.3.2022)