Wie der russische Präsident Wladimir Putin tickt, ist schon lange offensichtlich. Wer jetzt so tut, als wäre er überrascht vom Wesen des Putinismus, war entweder naiv oder lügt. All die Altkanzler und Unternehmen, die nun hastig ihre Verbindungen nach Moskau kappen, störte es wohl wenig, wie in Russland Oppositionelle vergiftet wurden, wie in Syrien vom russischen Militär die Gewaltherrschaft Bashar al-Assads gesichert wurde oder wie Putin im Jahr 2014 völkerrechtswidrig die Krim annektierte.

In Österreich haben viele weggeschaut, um gute Geschäfte mit Russland machen zu können. Damit ist man in Europa beileibe nicht allein, auch wenn es schon grotesk ist, wie sehr sich auch teilstaatliche Unternehmen wie die OMV an Russland gebunden haben.

In Österreich haben viele weggeschaut, um gute Geschäfte mit Russland machen zu können.
Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Seinesgleichen sucht Österreich zumindest in Westeuropa aber, was die Kompromittierung der Sicherheitsbehörden durch russische Einflussnahme betrifft. Besonders betroffen war hierzulande der Verfassungsschutz. Die ÖVP-nahe Führung im Innenministerium war offenbar so damit beschäftigt, eigene Günstlinge mit Posten zu versorgen, dass sie mehrfach deutliche Alarmsignale übersehen oder ignoriert hat.

Aus den geleakten Chatnachrichten vom Smartphone des langjährigen Kabinettschefs ergibt sich der Eindruck, dass die Verhinderung von Karrieren (vermutet) SPÖ-naher Beamter das Ziel war. Grüne und Liberale hatten ohnehin so gut wie keine Chance; demzufolge teilten sich ÖVP und FPÖ die Sicherheitsbehörden im Innenministerium auf.

Korruptionsneigung

Ob jemandem eine Korruptionsneigung nachgesagt wurde, ob jemand merkwürdige Beziehungen nach Russland pflegte: egal, Hauptsache kein "Sozi". Da überraschte es die ÖVP dann ab Türkis-Blau im Jahr 2017 nicht schlecht, dass der damalige Innenminister Herbert Kickl plötzlich auch die ÖVP-hörigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Visier nahm. Vor aller Augen, gut dokumentiert durch investigative Medienberichte und den U-Ausschuss, wurde der Verfassungsschutz sturmreif geschossen. Dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz und seinem Umfeld war das: egal. So wie er sich auch bei der Regierungsverhandlung nicht dagegen gewehrt hatte, dass nicht nur Kickl Innenminister, sondern auch Mario Kunasek Verteidigungsminister wurde – und somit alle Sicherheitsdienste von Politikern einer Partei kontrolliert wurden, die ihre "Freundschaft" zur Putin-Partei deklariert hatte. Hauptsache, kein (angeblicher) Sozi.

Jetzt, wenn internationale Medien wie die Financial Times über die Isolation Österreichs in der europäischen Geheimdienstarchitektur schreiben, geben sich viele, die das mitgetragen haben, plötzlich erschrocken und erstaunt. Das Traurige ist, dass man nicht einmal weiß, ob es denn unter der SPÖ anders gewesen wäre. Auch da waren Bundespräsidenten, Altkanzler und Sicherheitsexperten viel zu Russland-affin.

Sicherheitspolitisch machte es so gut wie keinen Sinn, sich an Russland heranzupirschen. Die wichtigsten Informationen kamen und kommen aus den USA und Großbritannien, gefolgt von anderen europäischen Partnern und Israel. Auf eine angeblich gute Beziehung zu russischen Nachrichtendiensten können wir verzichten, auf eine Allianz mit westlichen Partnern aber nicht. Man kann nur hoffen, dass diese über unsere Unzulänglichkeiten hinwegsehen. (Fabian Schmid, 29.3.2022)