Als politische Trademark war die Visegrád-Gruppe jahrelang sehr erfolgreich. Nach außen hin suggerierten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei stets maximale Geschlossenheit. Und wenn es galt, gemeinsame Interessen durchzusetzen, dann zogen die vier EU-Staaten in Brüssel tatsächlich meist an einem Strang. So stärkten die Regierungen ihre Verhandlungsposition und sammelten auch innenpolitisch Pluspunkte: Gleichklang mit den anderen V4-Partnern lässt sich daheim besser verkaufen als Alleingänge, die das eigene Land in die Isolation treiben könnten.

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Ungarns Premier Viktor Orbán wird häufig für seine Nähe zu Putin kritisiert.
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Mit diesem Komfort ist es nun vorbei. Ein Treffen der Verteidigungsministerinnen und Verteidigungsminister in Budapest, zu dem auch Österreichs Ressortchefin Klaudia Tanner hätte dazustoßen sollen, wurde kurzerhand abgesagt. Grund ist die Ukraine-Politik von Ungarns Premier Viktor Orbán, der häufig für seine Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin kritisiert wurde. Die EU-Sanktionen trägt er zwar mit, Waffenlieferungen an die Ukraine über Ungarn lehnt er aber ab. Er wolle sein Land aus dem Krieg heraushalten, lautet das Mantra Orbáns, der am Sonntag eine Wahl zu schlagen hat.

Vieles, was Moskaus Krieg bisher gebracht hat, ist nicht in Putins Interesse: eine selbstsichere ukrainische Nation; ein zusammenrückender Westen; und jetzt auch noch Zwist bei den V4, dem vermeintlich festen Stachel im Fleisch Brüssels. Überraschung ist das allerdings keine. Gerade in der Russland-Politik waren die Unterschiede stets bekannt – vor allem zwischen Polen und Ungarn, die mit der EU in Sachen Rechtsstaatlichkeit im Clinch liegen. Das gemeinsame Auftreten, etwa in der Flüchtlingspolitik ab 2015, hat nur geholfen, sie zu kaschieren.

Nun ist der Lack ab. Ein Ende der V4 ist das aber nicht. Konstruktive Zusammenarbeit ist auch ohne trügerisches Geschlossenheitspathos möglich. Ob sie bald ohne Orbán organisiert werden kann, wird der Wahlsonntag in Ungarn zeigen. (Gerald Schubert, 30.3.2022)