In der Wiener Innenstadt wird der Lagezuschlag künftig schon bei fast 15 Euro liegen.

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Nach der Anhebung der Miet-Richtwerte, die ab heute gültig ist, rückt nun auch wieder der vor allem in Wien heiß umkämpfte Lagezuschlag in den Blickpunkt. Er ist der für Vermieterinnen und Vermieter von Altbauwohnungen meist wichtigste mögliche Zuschlag auf den Richtwert und lag zuletzt laut Lagezuschlagskarte der Stadt Wien – seit April 2019 und bis zum gestrigen Donnerstag – in der City schon bei 12,21 Euro je Quadratmeter. In angrenzenden Gegenden rund um den Ring waren es 4,62 Euro, in großen Teilen Hietzings, Währings und Döblings bei 3,63 Euro.

Lagezuschlag von fast 15 Euro im 1. Bezirk

Damit hatte sich der Lagezuschlag in der teuersten Wiener Lage, eben der City, allein von 2010 bis 2019 schon fast verdreifacht. Und nun wird es hier neuerlich zu einem starken Anstieg kommen: Laut ersten diesbezüglichen Anzeichen dürfte der maximal mögliche Lagezuschlag im 1. Bezirk auf 14,79 Euro ansteigen – das wäre ein Plus von rund 2,50 Euro pro Quadratmeter (!).

Einen entsprechenden Wert "spuckte" jedenfalls der Lagezuschlags-Rechner auf der Website der Stadt Wien noch am gestrigen Donnerstag für eine beliebige Adresse im 1. Bezirk aus. Mittlerweile wurde die Anzeige der neuen Werte ab 1.4.2022 aber wieder eingestellt – der Grund dafür ist unklar. Auch eine neue Lagezuschlagskarte der Stadt Wien ist noch nicht online; dass sie jedenfalls kommen werde, sofern die Anhebung der Richtwerte durchgeführt wird (was mittlerweile eben passiert ist), wurde dem STANDARD von der Stadt Wien schon vor Wochen mitgeteilt.

Unrealistisch ist der neue Wert von 14,79 Euro als Lagezuschlag im 1. Bezirk jedenfalls nicht, denn zugrunde liegen würde dem ein Grundkostenanteil von 4.800 Euro. Nachdem schon 2019 ein durchschnittlicher Grundkostenanteil von 4.000 Euro herangezogen wurde, erscheint das absolut im Bereich des Möglichen.

21 Euro als Grundmiete in der Innenstadt

Was heißt das nun? Zusammen mit dem gerade auf 6,15 Euro erhöhten Wiener Richtwert wird damit für Altbau-Mietwohnungen im 1. Bezirk schon eine Miete von fast 21 Euro je Quadratmeter ermöglicht; und andere Zuschläge für etwaige Ausstattungsmerkmale sind hier noch gar nicht eingerechnet.

In Gegenden rund um die Innenstadt, in denen bis dato die Lagezuschlags-Empfehlung auf 4,62 Euro je Quadratmeter lautete, spuckte der Rechner kürzlich 6,21 Euro aus. Und in manchen Gegenden, wo zuvor 3,63 Euro empfohlen wurden, waren es nun 4,89 Euro. Auch diese Werte sind nun aber wieder verschwunden.

Neuberechnung 2018

Ein kurzer Rückblick an dieser Stelle: Im Jahr 2018 hatte die Stadt die Karte komplett überarbeiten lassen, weil es massive Kritik von Mieterschützern gab: Die Karte würde Maximalwerte abbilden, ohne dies auszuschildern; oft sei die jeweilige Lage aber schlechter zu bewerten. "Maximal mögliche Grundkostenanteile" steht seither groß auf der Karte.

2018 verschwanden allerdings auch in vielen Lagen die laut amtlicher Karte zuvor noch "erlaubten" Lagezuschläge – weil die Stadt in ihre Neuberechnung auch ein Urteil des OGH einfließen ließ, der festgestellt hatte, dass für die Zulässigkeit eines Lagezuschlags nicht nur die Grundstückskosten herangezogen werden dürfen, sondern qualitative Faktoren wie die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel oder die Erreichbarkeit von Schulen, Supermärkten und Parks berücksichtigt werden müssen. Außerdem dürfen nur mehr ähnliche Wohngebiete miteinander verglichen werden und nicht jede einzelne Lage mit dem ganzen Stadtgebiet.

Das große Feilschen

Der Entscheid war ein Paradigmenwechsel im Umgang mit dem Lagezuschlag. Hausbesitzer waren einerseits erbost über den Wegfall des Lagezuschlags in vielen Gegenden, andererseits begann damit das große Feilschen vor Gericht um jeden Euro an Lagezuschlag in jeder einzelnen Lage erst so richtig. Denn dass die Werte in der Lagezuschlagskarte ohnehin nur als Richtschnur anzusehen sind, betonte man seitens der Stadt ab 2018 sehr stark.

Diverse nachfolgende OGH-Entscheide sorgten dafür, dass sich die Situation um den Lagezuschlag in Wien nun als chaotisch präsentiert. Die Streitereien vor der Schlichtungsstelle und vor Gericht nahmen zu, Gutachter sind vielbeschäftigt. Ein Ausweg ist nicht in Sicht, denn dazu müsste man wohl das gesamte Richtwertsystem reformieren.

Kein "moderater" Zuschlag

Die Situation ist also verfahren, und das ärgert zunehmend auch Vertreter der Immobilienwirtschaft. Clemens Limberg, geschäftsführender Gesellschafter der Limberg-Gruppe, weist auf folgenden Umstand hin: Die derzeitige Vorgangsweise laufe unweigerlich darauf hinaus, "dass der moderate Lagezuschlag langsam, aber sicher verschwindet". Und zwar deshalb, weil die Schere zwischen "durchschnittlichen" Lagen, in denen Gerichte nun oft eben gar keinen Lagezuschlag mehr anerkennen, und "überdurchschnittlichen" Lagen mit sehr hohen Lagezuschlägen weiter aufgehe.

Und das liegt laut Limberg auch daran, dass sich die Berechnung des Grundkostenanteils im Richtwertsystem seit dessen Schaffung 1994 nicht wesentlich geändert hat. Damals wurde ein durchschnittlicher Grundkostenanteil von 219 Euro festgesetzt, wie auch Wohnrechtsexperte Christoph Kothbauer erklärt. Dieser Betrag wurde danach vom tatsächlichen Grundstückspreis je Quadratmeter in teureren Lagen abgezogen, die Differenz multipliziert mit 0,0033 ergab den gültigen Lagezuschlag. Bei einem Grundstückspreis von 400 Euro je Quadratmeter Nutzfläche kam man so beispielsweise auf einen Lagezuschlag von 60 Cent je Quadratmeter.

Grundstückspreise gehen durch die Decke

Nun stiegen die Grundstückspreise vor allem im vergangenen Jahrzehnt aber enorm; in guten Lagen ist man heute bei einem Mehr- bis Vielfachen des 1994 als durchschnittlich angenommenen Betrages, in vielen Gegenden Wiens liegt der Durchschnittspreis je Quadratmeter Nutzfläche heute jedenfalls über 1.000 Euro, wie auch aus der Lagezuschlagskarte von 2019 ersichtlich wird. Im 1. Bezirk waren es, wie erwähnt, damals schon 4.000 Euro – gerechnet stets auf die erzielbare Nutzfläche, nicht auf die Grundfläche des Grundstücks.

Der Ausgangswert der Berechnung hat sich also im Lauf der Zeit vervielfacht, der angenommene Durchschnittspreis, der zum Abzug gebracht wird, wurde aber bisher immer nur an die Inflation angepasst; aus den 219 Euro von 1994 waren 2019 genau 299,97 Euro geworden. Und aktuell, mit der soeben durchgeführten Anhebung der Richtwerte und der dadurch auch ausgelösten Neuberechnung der Grundkostenanteile, liegt der Wert für Wien laut dem jüngsten (kostenpflichtigen) Newsletter von Wohnrechtsexperten Kothbauer bei 317,52 Euro.

Dass somit in jenen Lagen, in denen er noch "erlaubt" ist, ein immer höherer Lagezuschlag herauskommen muss, ist klar.

Reformbedürftiges System

Grundsätzlich wird das gesamte Richtwertsystem schon seit vielen Jahren als stark reformbedürftig angesehen. Die 1992/93 angestellten Berechnungen für die Richtwerte der einzelnen Bundesländer sollten eigentlich regelmäßig auf ihre Plausibilität hin überprüft werden, von einer eigenen Kommission. Diese wurde allerdings unter Schwarz-Blau I aufgelöst, die Richtwerte werden nur noch laufend an die Inflation angepasst.

Eben weil der Wiener Richtwert so niedrig ist – in der Bundeshauptstadt gibt es den zweitniedrigsten von allen Bundesländern –, rückte der Lagezuschlag im Lauf der Jahre naturgemäß in den Fokus der Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen. Mit ihm lässt sich die erzielbare Miete in zentraler Wiener Lage signifikant erhöhen. Allerdings nur dann, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, "eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage/Wohnumgebung", wie es im Mietrechtsgesetz (MRG) dazu heißt.

Die "durchschnittliche Lage" wird im Paragraph 2 des Richtwertgesetzes näher definiert: Diese sei "nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen, wobei eine Lage (Wohnumgebung) mit einem überwiegenden Gebäudebestand, der in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet wurde und im Zeitpunkt der Errichtung überwiegend kleine, mangelhaft ausgestattete Wohnungen (Wohnungen der Ausstattungskategorie D) aufgewiesen hat, höchstens als durchschnittlich einzustufen ist." In Gründerzeitvierteln gilt also kein Lagezuschlag. Doch auch was ein Gründerzeitviertel ist, und was nicht (mehr), ist oft nicht ganz klar. (Martin Putschögl, 1.4.2022)