Der Angeklagte kann aus seiner Gesinnung kein Hehl machen, die ist über viele Jahre gut dokumentiert. Im Prozess äußerte er Reue, verurteilt wurde er in allen Punkten.

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Zwei Brüder aus Kärnten mussten sich in Wien nach dem NS-Verbotsgesetz verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, unter dem Pseudonym des Neonazi-Rappers "Mr. Bond" über Jahre den Nationalsozialismus verherrlicht zu haben. Philip H. (37) soll nicht nur gerappt, sondern auch das rassistische Manifest des Christchurch-Attentäters übersetzt und verbreitet haben. Benjamin H. (34) soll ihn bei alldem unterstützt und die antisemitische Hetz-Site Judaswatch betrieben haben. In den meisten Anklagepunkten waren die Brüder geständig.

Nur Fetzen der vom Gericht im Schnelldurchlauf verlesenen Liedtexte des Rappers und seines Bruders waren im Verhandlungssaal des Landesgerichts für Strafsachen Wien verständlich. Über eine Stunde dauerte die Verlesung der Vorwürfe gegen die Angeklagten. Der Inhalt wiederholte sich im Kern vielfach: "Hakenkreuz", "weiße Rasse", "Führer", "Juden", "vergasen" ... – Zweifel an der Gesinnung der Brüder blieben keine.

Etwas überraschend dann aber die späte Reue der Angeklagten. In äußerst knappen Statements beteuerten die beiden Männer: "Der Weg, den ich eingeschlagen habe, war nicht der richtige" sowie "Es tut mir aufrichtig leid." Inhaltliche Äußerungen oder eine Beantwortung von Fragen zu ihren Beweggründen verweigerten beide. Zwei Prozesstage lang verzogen sie keine Miene. Selbst dann nicht, als aus den Boxen im Schwurgerichtssaal am Dienstag die Stimme Philip H.s zu hören war: "Adolf war zu human, das war sein Kapitalfehler."

Musik bei Anschlag in Halle

Ihre neonazistischen Projekte sollen die beiden Kärntner im Jahr 2016 begonnen haben. Philip H. veröffentlichte über die Jahre dutzende Lieder, in denen er als Rapper Mr. Bond bekannte Hits zu nationalsozialistischen Propagandasongs und Huldigungen von Rechtsterroristen umdichtete – und erfreute sich dabei in einschlägigen Onlinezirkeln großer Beliebtheit. Als ein Neonazi im deutschen Halle 2019 bei seinem bewaffneten Überfall auf eine Synagoge Musik von Mr. Bond als "Kommentar zur Tat" abspielte, wurden auch die heimischen Behörden aufmerksam. Die Ermittler attestieren Philip H. eine "besondere Gefährlichkeit". Er könne zu Anschlägen aufrufen oder selbst planen.

Sein Bruder, Benjamin H., ein Angestellter eines Software-Unternehmens, listete ebenfalls ab 2016 auf seiner Website Judaswatch rund 1.800 Politikerinnen, Schauspielerinnen, Journalistinnen oder Wissenschafterinnen aus aller Welt. Mit ihren politischen Inhalten hätten sie als "Verräter der weißen Rasse" agiert, so die Diktion der Website. Juden und Jüdinnen waren mit Davidstern zusätzlich markiert worden. Wie auch Philip verkehrte Benjamin H. jahrelang in militanten Neonazi-Foren, wie DER STANDARD schon vor Jahren berichtete. Beide Männer blieben für die Behörden jahrelang unauffindbar. Erst das Paypal-Spendenkonto Philip H.s brachte die Polizei auf seine Spur. Mehr durch Zufall stießen die Ermittler bei der Auswertung der beschlagnahmten Daten auf H.s Kommunikation mit seinem Bruder über dessen Hetzwebsite.

Waffen gefunden

Bei den Hausdurchsuchungen wurden (teils legal erstandene) Waffen gefunden. Die Gefahr, die von den Angeklagten ausgehe, betonten auch die Anwälte der Betroffenen, die auf Benjamin H.s Website Judaswatch gelistet waren. Clemens Lahner verwies auf deutsche Rechtsextremisten, bei denen Leichensäcke, Kabelbinder und Löschkalk gefunden worden waren. Ausrüstung für den "Tag X", wie er sagte, jenen von Rechtsextremisten herbeigesehnten Tag, an dem der Staat gewaltsam gestürzt und mit Feinden abgerechnet werden solle. Sein Kollege Johannes Kerbl argumentierte mit Nachdruck: "Im Grunde ist das Führen solcher Listen ein Aufruf zum Mord."

Diese Gefährlichkeit sah auch das Gericht. Erstangeklagter Philip H. wurde zu zehn Jahren, sein Bruder Benjamin zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt. Da sich alle Seiten Bedenkzeit nahmen, ist die Entscheidung nicht rechtskräftig.

Bei einer Strafdrohung bis zu 20 Jahren Haft hielt der Senat die zehn Jahre tat- und schuldangemessen. H.s Songs seien "ein paar hunderttausend Mal" im Internet heruntergeladen worden. Diese Nachfrage sei "gerade für junge Zuhörer" attraktiv und lade "zur Nachahmung ein", begründete der Vorsitzende. (Christof Mackinger, 31.3.2022)