Mieten: Julia Beirer

Von einem Tag auf den anderen war er da: der gelbe Wasserfleck an der Küchendecke, circa einen Meter lang und 20 Zentimeter breit. Während des ersten Schrecks läuft auch schon ein Szenario im Kopf ab: Handwerker wuseln herum, der Fußboden ist ständig dreckig, Wände sind aufgestemmt, Entlüftungsgeräte brummen, über Wochen herrscht Lärm und Unruhe. Ein wichtiger Aspekt allerdings versetzt das Gedankenspiel nicht in erneutes Chaos: die Frage nach den Kosten.

Nach dieser Erkenntnis macht sich Erleichterung breit, schließlich ist die Wohnung gemietet. Und solange der Wasserschaden nicht von Mietenden verschuldet ist, müssen sie für die Reparatur nicht bezahlen. Im Gegenteil: Können einzelne Zimmer während der Arbeiten nicht genutzt werden, besteht die Chance auf Mietzinsminderung.

Ob sich die Decke nun mit Wasser vollsaugt, ein Schlauch der Gastherme tropft oder die Eingangstür des Hauses nicht richtig schließt: Es kostet Mieterinnen und Mieter meist nicht mehr als einen Anruf bei der Hausverwaltung. Sollte die Reparatur nicht zufriedenstellend sein, bleibt immer noch die Möglichkeit umzuziehen. Eine schönere, besser funktionierende, besser gelegene Mietwohnung findet sich schon.

Nahezu unleistbar

Das Wohnen zur Miete ist unkompliziert. Im Gegensatz zu Wohnungseigentümerinnen kümmern Mieter die morschen Fenster und der modrige Balkon der Nachbarn ebenso wenig wie Gedanken an die Rücklage, aus der derartige Schäden bezahlt werden. Auch gibt es keinen Kredit, der die nächsten 30 Jahre abzubezahlen ist. Statt nach den günstigsten Bankkonditionen mit den niedrigsten Zinsen können Mietende nach billigen Flügen für die nächste Fernreise suchen.

Eine Eigentumswohnung zu kaufen ist ohnehin nahezu unleistbar geworden. Seit Beginn der Pandemie haben die Preise noch mal kräftig angezogen – Betongold gilt besonders in Krisenzeiten als sichere Währung. Die hohe Nachfrage gepaart mit stetig teurer werdenden Rohstoffen treibt die Preisspirale weiter an.

Nun hat die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) zudem angekündigt, die Kreditvergaberichtlinien zu verschärfen. Künftig sollen Käuferinnen und Käufer, die einen Kredit benötigen, 20 Prozent des Gesamtkaufpreises an Eigenkapital mitbringen. Das wiederum macht es für Herrn und Frau Österreicher noch schwieriger, an das nötige Kapital für ihre Immobilieninvestition zu kommen. Wer den Kredit dann schließlich bekommt, steht noch lange nicht am Ende seiner Pein. Zum finanziellen gesellt sich auch ein psychischer Druck.

Das Leben verläuft nicht linear, und die Angst vor einem etwaigen Jobverlust schlägt anders aufs Gemüt, wenn monatlich ein Kredit zu bedienen ist. Die gestresste, ungute Stimmung spüren auch Partner und Kinder, sie schlägt sich im Familienleben nieder und nimmt dem viel genannten Argument, den Kindern etwas hinterlassen zu wollen, an Gewicht.

Kaufen: Martin Putschögl

Er läuft, der Kredit. Seit mehr als sechs Jahren tut er das, die monatliche Abbuchung verändert sich von Jahr zu Jahr nur geringfügig, inklusive Betriebskosten kommen wir im Monat auf einen guten Tausender an Fixkosten. Die Miete wäre in diesem Zeitraum stärker gestiegen. Mehr noch: Zu den aktuellen monatlichen Kosten würden wir derzeit gar keine Mietwohnung in derselben Qualität finden, jedenfalls nicht im freifinanzierten Segment.

Stresst es mich, dass in der Bank-App ein sechsstelliger Betrag mit einem Minus davor tiefrot aufleuchtet? Ehrlich gesagt: nein. Neben der Kreditrückzahlung wird fleißig angespart, Ziel ist die Schuldenfreiheit schon in ein paar Jahren.

Aus derzeitiger Sicht war die Entscheidung, 2015 in eine Immobilie zu investieren, also richtig, davon bin ich überzeugt. Noch besser wäre es gewesen, fünf Jahre früher zu investieren. Genau das sagen aber heutzutage auch die, die sich jetzt gerade eine Wohnung kaufen wollen. Doch wird man auch im Jahr 2027 noch sagen: "2022, damals hätte man zuschlagen müssen"?

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es gibt Anzeichen, dass es jedenfalls mit den aktuellen Preissprüngen bald vorbei ist. Die Zinsen steigen wieder, das heißt, dass Anleger sich wieder aus dem sogenannten Betongold vertschüssen. Die Banken müssen bei den Krediten strenger werden, auch dies dürfte sich drosselnd auf die Nachfrage auswirken. Und in Wien wurde Ende des Vorjahres eine Bauordnungsnovelle in Kraft gesetzt, die das Ziel hat, die vielen Bauträgerprojekte in Siedlungsgebieten im Zaum zu halten. Diese haben zuletzt die Preise stark mit nach oben gezogen. Sollte man also lieber noch warten, wenn man vorhat, jetzt etwas zu kaufen? Nun, ein guter Rat ist jedenfalls immer: nichts überstürzen, gut nachdenken.

Lieber einen Grundbucheintrag hinterlassen

Bei einer Immobilie, die man selbst dauerhaft bewohnen will, ist der Kaufpreis ein wichtiger Faktor, die Wertentwicklung nach dem Kauf aber zweitrangig. Eigentum ist eine gute Altersvorsorge, auch gegen Mietpreissteigerungen. Wer in der Pension nur noch Betriebskosten zahlt, tut sich leichter. Aber klar, der Erhalt eines Gebäudes geht ins Geld, insbesondere dann, wenn länger nichts gemacht wurde. Eigentümer müssen da jedes Mal in die Tasche greifen, dessen sollte man sich bewusst sein. Das neue Wohnungseigentumsgesetz erleichtert Sanierungsbeschlüsse, da wird man also schnell einmal zum solidarischen Mitzahlen vergattert.

Ja, volkswirtschaftlich betrachtet hat Wohneigentum auch Nachteile. Die Verschuldung der Haushalte steigt, gleichzeitig sind die Menschen nicht so mobil, was negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben kann. Generell ziehen Eigentümerinnen seltener um als Mieter; wir haben hier keine amerikanischen Verhältnisse. Wir lieben unbefristete Mietverträge – doch die bekommt man nur noch selten. Auch das Vererben günstiger Altmietverträge wird irgendwann vorbei sein. Dann schon lieber einen Grundbucheintrag hinterlassen.

(Julia Beirer, Martin Putschögl, 5.4.2022)