Der frühe Frühling ist kulinarisch eine gemeine Zeit. Das Wetter fühlt sich zeitweise schon nach dem Reichtum des Sommers an, allein, es dauert einfach, bis aus den ersten Sonnenstrahlen Obst und Gemüse werden.

Was dafür schon (und noch!) sprießt und wuchert, sind Blätter – und zwar in rauen Mengen. In Wald und Wiesen wuchern wilder Löwenzahn, knackige Hopfensprossen, krautige Brennnesseln und Borretsch mit seinem köstlichen Gurkengeschmack, auf den Märkten liegen zartbittere Zichorien, samtig-milder Spinat, bunter Mangold und erfrischender Sauerampfer.

Eine meiner liebsten Arten, diesen jungen Wildwuchs zu genießen und eine unanständige Menge und Vielfalt an frischem Grünzeug in eine Schüssel zu packen, ist als eine Art Eintopf: Nehmen Sie alles an frischen Blättern und Sprossen, was Sie kriegen können und Ihnen schmeckt – Ihrer Fantasie sind nur von der erwachenden Natur Grenzen gesetzt.

Foto: Tobias Müller

Achten Sie idealerweise auf verschiedene Konsistenzen und Geschmäcker: grobe (Borretsch, Mangold, Hopfensprossen) und fein-seidige (Spinat) Blätter, bittere (Löwenzahn, Zichorien), saure (Sauerampfer), scharfe (Radieschen) und erdig-süße (rote Rüben). Wer es etwas üppiger mag, baut den Eintopf auf sämigen Bohnen auf: Sie saugen all die Säfte wunderbar auf, sorgen für die Sättigung und machen das Gericht perfekt für einen doch noch etwas kühlen Frühlingsabend.

Lassen Sie die Blätter kurz im siedenden Wasser zusammenfallen, schwitzen derweil ein wenig Aromate in Olivenöl an (Knoblauch, Chili, Piennolo-Tomaten ...), mischen die gehackten Blätter dazu und gießen alles mit Suppe oder (Bohnenkoch-)Wasser und den vorgegarten Bohnen auf. Mit frisch gemahlenem schwarzem Pfeffer, Fischsauce, Essig oder, noch besser, Bitterorangensaft abschmecken. Wer will und kann, der legt vor dem Servieren noch eine gute Makrele sott'olio drauf oder streut etwas geriebenen Käse darüber.

Foto: Tobias Müller

Das Gericht ist inspiriert von der Zuppa di Natale, der neapolitanischen Weihnachtssuppe. In Österreich wird daraus eine Zuppa di Pasqua, weil das weihnachtliche süditalienische Blätterangebot mehr dem unsrigen zu Ostern ähnelt. Achtung: Dem Wort zum Trotz ähneln italienische Zuppas mehr unseren Eintöpfen als Suppen, weil sie mitunter so dicht sind, dass der Löffel drin stehen bleibt.

Das folgende Rezept stammt aus meinem Buch "Tutto Napoli – der Geschmack der Stadt", das diese Woche endlich aus der Druckerei kommt. Falls Sie Lust auf mehr als 300 prächtige leinengebundene Seiten mit Neapel-Fotos, Texten, Rezepten und Tipps haben, schauen Sie sich das an.

Oster- oder Weihnachtssuppe, je nachdem, ob Sie in Süditalien oder Österreich sind

Für die Zuppa:

  • 200 g getrocknete Bohnen
  • Olivenöl
  • 2 Knoblauchzehen, in dünne Scheiben geschnitten
  • 2 getrocknete Chili, fein gehackt
  • 5–6 Piennolo-Tomaten (oder ordinäre Cocktailtomaten. Oder weglassen. Das ist etwas, was es wirklich eher in Neapel zu Weihnachten als bei uns zu Ostern gibt)
  • 500 g Bittergemüse oder sonstiges Grünzeug (Zichorien, Löwenzahn, Borretsch, Wilder Hopfen, Spinat, Mangold ...)
  • Colatura di Alici
  • Saft einer Zitrone oder einer Bitterorange

Zum Servieren:

  • Weißbrot, getoastet
  • Sgombro sott'olio (Makrelenfilets in Öl) oder geriebener Parmesan (optional)

Die Bohnen über Nacht in reichlich Wasser einweichen. Am nächsten Tag das Wasser abgießen, mit frischem Wasser bedecken und köcheln, bis sie weich sind, etwa eine Stunde. Im Kochwasser auskühlen lassen, bis sie gebraucht werden.

In einem schweren Bräter Olivenöl erhitzen. Knoblauch und Chili kurz darin anschwitzen, dann die Piennolo zugeben und ein, zwei Minuten braten.

Das Bittergemüse entweder kurz in wallendem Wasser vorgaren oder einfach roh zugeben, den Deckel schließen und zusammenfallen lassen. Dann bei offenem Deckel garen, bis das Gemüse weich und die meiste Flüssigkeit verdampft ist, etwa fünf Minuten.

Die Bohnen und genug Bohnenkochwasser zugeben, sodass das Ganze die Konsistenz eines Eintopfs hat. Fünf Minuten blubbern lassen, damit sich die Geschmäcker mischen. Mit einem Schuss Colatura und Zitronen- oder Bitterorangensaft abschmecken.

Foto: Tobias Müller

Auf Teller verteilen und mit Weißbrot und eventuell Sgombro sott'olio oder Parmesan servieren. (Tobias Müller, 3.4.2022)