Das Ibiza-Video spielte im Prozess gegen Julian Hessenthaler gar keine Rolle mehr.

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Am Mittwoch wurde der Urheber des Ibiza-Videos, Julian Hessenthaler, zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Allerdings nicht wegen des folgenschweren Abends, den er Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seinem damaligen Vize Johann Gudenus in Ibiza bescherte. Sondern wegen mutmaßlichen Drogenhandels. Hessenthaler wird vorgeworfen, einem Bekannten vor einigen Jahren insgesamt 1,25 Kilogramm Kokain zum Grammpreis von 40 Euro verkauft zu haben.

Obwohl sich die beiden Hauptbelastungszeugen widersprachen und "EU-Infothek"-Herausgeber Gert Schmidt, der Kontakte zur Novomatic und Gudenus hat, einen Zeugen für Hinweise zahlte, die sich als falsch herausstellten, und dessen Verteidigungskosten übernahm, kam der Richter dennoch zu seinem Urteil. Hessenthaler und sein Anwalt wollen gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil ankämpfen.

Am Freitagabend gab Hessenthaler nun Puls 24 ein Interview, das um 22:20 ausgestrahlt wurde und das DER STANDARD vorab sehen konnte. Er gehe zwar vorsichtig mit jenen Worten um, da andere politische Gefangene in anderen Ländern "gefoltert, getötet und sonst was werden", aber er sehe durchaus eine politische Dimension hinter seiner Haft, sagt er zu Beginn des Gesprächs.

Hessenthaler kritisiert die Vorsitzführung der Gerichtsverhandlung, dir er teilweise als "ans Absurde grenzend" bezeichnet. "Ich habe einen Richter erlebt, der polternd war, Suggestivfragen gestellt hat, Zeugen Antworten teilweise in den Mund gelegt hat, die Verteidigung permanent versucht hat zu unterwandern, zu unterbrechen, ich habe eine Art der Vorsitzführung erlebt, wie ich sie offen gesagt aus irgendwelchen Dokumentarfilmen aus den 30er- und 40er-Jahren kenne, einen Richter, der eine Art der Verfahrensführung an den Tag gelegt hat, die offen gesagt eines europäischen EU-Landes unwürdig ist."

Straffreiheit "für gewisse Kreise unannehmbar"

Aber welches Motiv soll der Richter dafür gehabt haben? "Ich glaube nicht, dass er ein konkretes Motiv hatte", sagte Hessenthaler. "Unser Eindruck war, dass der Richter von Anfang an auf ein Urteil aus war, das war unser Eindruck anhand dessen, wie er mit den Beweisanträgen umgegangen ist, die ganze Argumentation bei der Urteilsverkündung lief im Endeffekt darauf hinaus, dass der Richter meinte, es wäre mir nicht gelungen, diese Malversationen zu belegen. Das ist an sich schon ein fragwürdiges Argument, weil es mir eigentlich als Angeklagter nicht auferlegt werden sollte, zu beweisen."

Hessenthaler ist der Meinung, dass generell ein Interesse bestand, "Ibiza" in irgendeiner Form zu verurteilen: "Ich glaube, es war für gewisse Kreise unannehmbar, dass der Hersteller des Ibiza-Videos straffrei davonkommt." Aber wer sind diese Kreise? Hessenthaler nannte unter anderem den einstigen Chef der Soko Tape des Bundeskriminalamts, Andreas Holzer, also jene Struktur, der erst kürzlich aufgrund mutmaßlicher Befangenheit alle Ermittlungsaufträge von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) entzogen wurden.

Drogen und Freundschaft

Hessenthaler wurde auch zu seiner Drogenvergangenheit befragt. "Ich kann sagen, dass ich in meiner Zeit, wie, glaube ich, einige andere ab und an Suchtmittel konsumiert habe, das ist richtig, im Zuge des Konsums habe ich sie sicher auch besessen, das ist auch richtig, das ist nichts, worauf ich stolz bin", sagt Hessenthaler. "Auf der anderen Seite, ohne es kleinreden zu wollen, das trifft wahrscheinlich auf grob zwanzig Prozent der Wiener Bevölkerung zu, inklusive hochranginge Politiker, inklusive ehemalige Bundeskanzler." Die Protagonisten des Ibiza-Videos, also Strache und Gudenus, will er jedenfalls nicht mit Drogen versorgt haben.

Dann wird Hessenthaler damit konfrontiert, ob es damals politische oder rein finanzielle Motive waren, das Ibiza-Video aufzunehmen. Um Geld sei es ihm nicht gegangen, auch sei es anfangs kein besonders politisches Motiv gewesen. Hessenthaler bezeichnete es als Freundschaftsdienst für Anwalt M. Es sei ihm bekannt gewesen, dass versucht wurde, eine finanzielle Absicherung für Straches ehemaligen Bodyguard zu erzielen, der schon davor belastendes Material über seinen früheren Chef sammelte. Hessenthaler schließt einmal mehr aus, dass für das Video und dessen Verbreitung jemals Geld floss.

"Ob es heldenhaft war, müssen andere beurteilen"

Hessenthaler würde die Ibiza-Affäre jedenfalls jederzeit wieder auslösen, auch im Hinblick darauf, was danach folgte. Er könne nicht behaupten, dass er alles davon antizipiert habe, aber sehr wohl das, was das Umfeld von Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angehe und speziell auch die Zustände des Innenministeriums. "Ich glaube schon, dass es wichtig war für dieses Land", sagt Hessenthaler. "Ob es heldenhaft war, müssen andere beurteilen."

Im Rückblick würde Hessenthaler den folgenschweren Abend in Ibiza aber anders angehen, vor allem Kollateralschäden für Beteiligte minimieren und dafür bei der Planung eher auf professionelle Dienstleister als auf schlichte Bekannte setzen. Vermutlich wäre so einiges vermeidbar und vielleicht sogar eine komplette Verschleierung der Beteiligten möglich gewesen, erklärt Hessenthaler. Dieser geht übrigens davon aus, dass die falsche russische Oligarchennichte noch lebt. Mehr will er dazu nicht sagen. Auch aufgrund der Ermittlungszustände in Österreich. (Jan Michael Marchart, 1.4.2022)