Kanzler Nehammer machte am Montag der SPÖ wegen einer parlamentarischen Anfrage schwere Vorwürfe.

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Dass das Gerede nicht gut war, wurde dem türkisen Teil der Bundesregierung rasch klar: Schon vor zwei Wochen meldete sich ein Sprecher des Innenministeriums aktiv bei mehreren Medien, um etwaige Gerüchte zu widerlegen. Nein, der Kanzler sei nicht dabei gewesen, als sich zwei Personenschützer angetrunken hätten. Auch "keines seiner Familienmitglieder". Einen Unfall hätten die beiden betrunkenen Polizisten zwar verursacht, aber weit nach Dienstschluss.

Innerhalb der Polizei verbreiteten sich andere Erzählungen in Windeseile, nach und nach schlugen sie bei der Opposition und in Medien auf. Am Montagmittag veröffentlichte die SPÖ dann in einer parlamentarischen Anfrage den anonymen Brief eines angeblichen Cobra-Beamten, der wilde Vorwürfe gegen die Kanzlerfamilie beinhaltet. Diese missbrauche Personenschützer für die Betreuung ihrer Kinder, spanne diese für Botengänge ein und so weiter und so fort – kurzum: verwende sie missbräuchlich für Tätigkeiten, die nicht zum Aufgabengebiet von Cobra-Beamten gehören.

Vorpreschen mit Pressekonferenz

Während das Kanzleramt am Montagnachmittag noch verschnupft auf eine Anfrage diesbezüglich reagierte und keine Stellungnahme abgeben wollte, rückte es die Aufmerksamkeit dann plötzlich selbst auf den Vorfall. Überraschend wurde am späten Nachmittag noch ein Pressestatement Nehammers für 18.30 Uhr angekündigt.

In einem anonymen Brief, den angeblich ein Mitarbeiter der Polizeieinheit Cobra verfasst hat, werden nun neue Vorwürfe gegen die Nehammers laut. So sollen beispielsweise Personenschützer als Babysitter eingesetzt worden sein und Botendienste erledigt haben. Auch die Darstellung der Ereignisse rund um den Unfall wird angezweifelt.

SPÖ agiere "unerträglich"

Der Kanzler verspätete sich um ein paar Minuten, bevor er der Sozialdemokratie wegen deren parlamentarischer Anfrage schwere Vorwürfe machte. Der anonyme Brief enthält laut Nehammer Details über Sicherheitsmaßnahmen, und die SPÖ habe durch deren Veröffentlichung eine "rote Linie massiv überschritten". Personenschutz zu erhalten sei an sich schon eine "große Belastung"; dass nun eine Partei wie die SPÖ so agiere, sei "unerträglich".

Das anonyme Schreiben sei in dem Willen verfasst worden, der Familie Nehammer zu schaden, behauptete der Kanzler. Ob es stimme, dass Personenschützer PCR-Tests für Nehammers Kinder abgegeben haben? Wenn die Personenschützer ohnehin für sich PCR-Tests abgeben, sei es ja kein Problem, wenn sie andere mitnähmen, antwortete Nehammer auf die Frage eines Journalisten. Wenn Personenschützer seine Kinder zu Freizeitaktivitäten begleiten, dann sei das Kernaufgabe des Personenschutzes.

Das Statement Nehammers von Montagabend.
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Dann war Nehammer wieder weg, ohne – wie eingangs angekündigt – über sein Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj berichtet zu haben. Bei den Journalistinnen und Journalisten hinterließ der Auftritt einige Fragezeichen: Er sei geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie man unangenehme Geschichten als Betroffener noch größer mache.

Bestens vernetzt

Nehammer ist bekannt dafür, sehr sensibel auf Angelegenheiten zu reagieren, die seine Familie betreffen. Gleichzeitig ist sie medial präsent; in einem "Krone"-Interview kurz nach seinem Amtsantritt kamen auch Katharina Nehammer und ihr Schnitzelsemmerl-hungriger Sohn vor. Die Ehefrau gilt als enge Beraterin des Kanzlers und soll am Ballhausplatz sehr präsent sein.

Das ist kein Wunder, ist Katharina Nehammer doch selbst politisch aktiv: Sie war beispielsweise Pressesprecherin des damaligen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) und für jenen folgenreichen Bootsunfall bei einem Betriebsausflug verantwortlich, der zu nassen Smartphones und später bei der Reparatur mutmaßlich gestohlenen Chats führte.

Immer wieder Gerüchte

Die brachten nun wiederum Sobotka den Beschuldigtenstatus wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch ein – es gilt die Unschuldsvermutung. Unter Türkis-Grün wurde Katharina Nehammer dann Vizekabinettschefin unter Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), bevor sie zur PR-Agentur von Gregor Schütze wechselte. In zahlreichen Postings hieß es dann fälschlicherweise, dass sie für die skandalumwitterte Maskenfirma Hygiene Austria gearbeitet habe. Die Verfasser wurden erfolgreich geklagt, die zugesprochene Entschädigung wollte Katharina Nehammer spenden.

Nun sind es wieder Gerüchte, vor allem um Katharina Nehammer, die in sozialen Netzwerken für wilde Spekulationen sorgen. Das Innenministerium hat Anzeige gegen den Verfasser des anonymen Briefs eingebracht; der Kanzler betonte, rund um den Vorfall sei es zu keinerlei Interventionen seinerseits gekommen. Weitere Kapitel in der Affäre dürften folgen. (Fabian Schmid, 4.4.2022)